Begrüssung oder Verabschiedung durch Händedruck © Foto: Monika Hildebrandt / churchphoto.de

Trotz Religionsfreiheit können Baselbieter Schulen Händedruck einfordern

Liestal/Schweiz | 25.05.2016 | APD | Schweiz

Trotz Religionsfreiheit können die Baselbieter Schulen bei der Begrüssung zwischen Lehrpersonen und Schülern einen Händedruck einfordern und die Sanktionsmöglichkeiten des Bildungsgesetzes anwenden. Zu diesem Schluss kommt die Baselbieter Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) im Rahmen einer rechtlichen Prüfung für die Sekundarschule Therwil. Um die Integration umfassender und zielführend anzugehen, werden laut Medienmitteilung des Kantons Basel-Landschaft die Behörden künftig verstärkt zusammenarbeiten: Die Baselbieter Schulen werden dem zuständigen Amt für Migration (AFM) der Sicherheitsdirektion neu Integrationsprobleme melden. Dieses verfügt über repressive Instrumente im Ausländerrecht bei mangelhafter Integration.

Ursprung dieser Rechtsabklärung und einer entstandenen breiten gesellschaftlichen Diskussion waren zwei Schüler der Sekundarschule Känelmatt in Therwil. Sie führten an, dass sie eine Person anderen Geschlechts aufgrund ihrer Religion nicht berühren dürfen. Zur Gewährleistung eines reibungslosen Schulbetriebs hat die Schulleitung die Schüler temporär vom Händedruck befreit. Im Gegenzug durften sie den Lehrpersonen beiden Geschlechts die Hand nicht mehr geben.

Können Lehrerinnen ihre Schüler zum Händedruck verpflichten, wenn sie ihn aufgrund des Geschlechts verweigern und dies religiös begründen? Diese Frage hat die Baselbieter Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion BKSD für die Sekundarschule Känelmatt in Therwil rechtlich bejaht: Das öffentliche Interesse bezüglich Gleichstellung von Mann und Frau sowie die Integration von Ausländern überwiegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Religionsfreiheit) der Schüler erheblich.

In die Abwägung sind nebst diesen öffentlichen Interessen auch die Grundrechte der Lehrpersonen sowie der Mitschülerinnen und Mitschüler einzubeziehen. Die Ausübung der eigenen Glaubens- und Gewissensfreiheit wird durch die Religionsfreiheit der anderen begrenzt. Verweigert eine Person den Händedruck aus religiösen Gründen, ist ein Handschlag nicht möglich. Lehrpersonen sowie Mitschülerinnen oder Mitschüler werden dadurch in eine religiöse Handlung einbezogen. Dies unterscheidet sich vom Tragen des Kopftuches oder vom Fernbleiben des Schwimmunterrichts, für die es bereits Bundesgerichtsurteile gibt: Die soziale Geste des Händedrucks ist wichtig für die Vermittelbarkeit von Schülerinnen und Schüler später im Berufsleben.

Verweigerung des Händedrucks: Ermahnung, Disziplinarmassnahmen oder Busse
Der Händedruck kann durch eine Lehrperson folglich eingefordert werden, wie Bildungsdirektorin Monica Gschwind am 25. Mai den Leiterinnen und Leitern der Baselbieter Volksschulen persönlich mitgeteilt hat. Wird der Händedruck weiter verweigert, kommen die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten des Bildungsgesetzes zur Anwendung: Die Erziehungsberechtigten können ermahnt oder mit einer Busse von bis zu 5‘000 Franken gebüsst werden. Parallel dazu können Disziplinarmassnahmen bei den Schülerinnen und Schülern ergriffen werden. Diese müssen erzieherisch wirken, geeignet, erforderlich und verhältnismässig sein. Möglich sind Massnahmen wie eine mündliche Mahnung, eine Aussprache mit den Erziehungsberechtigten und ein schriftlicher Verweis gegenüber den Erziehungsberechtigten.

Therwil: Aufhebung der Zwischenlösung
Aufgrund des vorliegenden Ergebnisses wird die Sekundarschule Therwil die Zwischenlösung, die temporäre Befreiung der beiden Schüler vom Händedruck, nun aufheben und die Schüler zum Händedruck verpflichten. Sollten sie den Händedruck weiter verweigern, werden Sanktionen des Bildungsgesetzes geprüft.

Verstärkte Zusammenarbeit der Behörden bei Integrationsproblemen
Der verweigerte Händedruck an der Sekundarschule Känelmatt in Therwil ist ein Beispiel für zahlreiche Herausforderungen im Bereich der Integration, die nicht nur die Schule betreffen. Das Bildungsgesetz regelt ausschliesslich den Schulbetrieb und keine generellen ausländerrechtlichen Fragen wie zum Beispiel Aufenthaltsbewilligungen. Dies obliegt dem zuständigen Amt für Migration der Sicherheitsdirektion. Um die Integration umfassend und zielführend anzugehen, werden die Behörden künftig verstärkt zusammenarbeiten. Dafür passen die Baselbieter Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion BKSD sowie die Sicherheitsdirektion SID ihre Rechtsgrundlagen an und schaffen so eine Brücke zwischen dem Bildungs- und Ausländerrecht.

Die Schulen müssen künftig substantielle Integrationsprobleme dem Amt für Migration melden, sofern diese zu Sanktionen gegenüber Schülerinnen und Schülern bzw. deren Erziehungsberechtigten führen. Damit wird die Prüfung von allfälligen ausländerrechtlichen Massnahmen an die zuständige Behörde weitergegeben. Dieses Vorgehen ist vergleichbar mit der Meldepflicht an die Kindesschutzbehörde (KESB) bei einer möglichen Kindeswohlgefährdung. Auch dort obliegt es der Kindesschutzbehörde und nicht der Schule, die Situation zu prüfen und allfällige Massnahmen ausserhalb des Schulbetriebs anzuordnen.

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