Ziel der überkonfessionellen «Bettagsbegegnung» vom 12. September im Bundeshaus bestand darin, sich anlässlich des Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettags vom dritten Sonntag im September der Werte wie Friedensförderung, Versöhnung und Solidarität zu besinnen und sie zu stärken. Diese Werte hätten eine traditionell starke Verankerung in der Geschichte der Schweiz, heisst es in der Medienmitteilung der Organisatoren. Am Anlass, der unter dem Patronat von sechs Mitgliedern des eidgenössischen Parlaments stand, sprachen Bundesrat Ignazio Cassis, Aussenminister der Schweiz, Alojz Peterle, ehemaliger Ministerpräsident Sloweniens und die Ruanderin, Nelly Mukazayire, Ökonomin und ehemalige Beraterin im Stab des Präsidenten, über Brücken für den Frieden.
Der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag gehört in der Schweiz zu den höchsten Feiertagen und hat eine lange Tradition. Laut den Organisatoren komme dem Feiertag angesichts der zunehmenden Säkularisierung die Aufgabe zu, an die christlichen Wurzeln des Landes zu erinnern und die Dankbarkeit für den Segen in Vergangenheit und Gegenwart wach zu halten. Eine der Absichten des Bettages bestehe auch darin, den Respekt vor Andersdenkenden zu fördern, sagte Nationalrat Philipp Hadorn /SP), der mit Nationalrätin Marianne Streiff (EVP) den Event moderierte. Die Stärke eines Volkes messe sich am Verhalten den Schwachen gegenüber, so Hadorn.
Ignazio Cassis
Bundesrat Ignazio Cassis erinnerte in seinem Grusswort zur Bettagsbegegnung daran, wie nach dem Sonderbundskrieg, einem einmonatigen Bürgerkrieg in der Schweiz (1847), beiden Parteien, die liberalen, mehrheitlich reformierten Kantone sowie die konservativ, vorwiegend katholischen Kantone, aufeinander zugingen, um gemeinsam in die Zukunft zu gehen. Das Resultat sei die Verfassung von 1848 gewesen.
Alojz Peterle
Alojz Peterle, ehemaliger Ministerpräsidenten von Slowenien, rief dazu auf, die Menschenwürde in der heutigen globalisierten Welt hochzuhalten: «Wir sind alle gleich, was unsere Würde angeht; niemand hat eine grössere, höhere, bessere Würde. Das ist die Basis für Dialog und – politisch gesprochen – für Kompromisse.»
Nelly Mukazayire
Nelly Mukazayire, Ökonomin und ehemalige Beraterin im Stab des Präsidenten von Ruanda, schilderte, wie nach dem Völkermord 1994, bei dem in einem Monat eine Million Menschen getötet wurden, durch Aufarbeitung und Benennung des Geschehenen, Versöhnung zwischen Tätern und Opfern angestrebt wurde. Ihre Mutter sitze als eine der Täterinnen in der Hauptstadt Kigali eine lebenslange Gefängnisstrafe ab. Als Tochter einer Täterin sei sie durch verschiedene Phasen gegangen: von Verdrängen über Identitätsverlust, sich der Wahrheit zu stellen, der Mutter zu vergeben und sich auszusöhnen. Sie lebe davon, dass Kinder nicht für das verantwortlich gemacht würden, was ihre Eltern verbrochen hätten, sagte Nelly Mukazayire.
Umrahmt waren die Referate von einem Mittagessen, einer Lesung aus der Bibel durch Pfarrer Alfred Aeppli, Gebet und Fürbitte durch Mitglieder des Patronatskomitees. Rund 70 Personen aus Bundespolitik und -verwaltung, Botschafterkreisen, internationaler Politik, Wirtschaft und Kirchen folgten in diesem Jahr der Einladung zur Bettagsbegegnung.
Patronat
Die überkonfessionelle Bettagsbegegnung fand zum zweiten Mal statt und wird von fünf Nationalräten und einer Nationalrätin aus fünf politischen Parteien getragen: Marianne Streiff (EVP), Philipp Hadorn und Eric Nussbaumer (beide SP), Erich von Siebenthal (SVP), Laurent Wehrli (FDP) sowie Christian Lohr (CVP). Ihr gemeinsames Anliegen ist es, Dankbarkeit, Friedensförderung und Versöhnung sowie Gebet auch im politischen Alltag als Quelle der Hoffnung und Ermutigung zu stärken.