Kurienkardinal Kurt Koch, Moderator Gabriel Strenger, Rabbiner David Rosen © Foto: Christoph Knoch

Interreligiöser Dialog – Kardinal Koch und Rabbi Rosen im Gespräch - Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (SIG) - 110. Delegiertenversammlung

Basel/Schweiz | 15.05.2015 | APD | Schweiz

Die Abendveranstaltung zur Eröffnung der 110. Delegiertenversammlung des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes SIG, am 13. Mai in der Grossen Synagoge Basel, war von den Themen „Dialog“ und „Sicherheit“ geprägt. Kurienkardinal Kurt Koch, Präsident der Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum sowie Rabbiner David Rosen, Ehrenpräsident des Internationalen Rates der Christen und Juden, diskutierten in einem Podiumsgespräch zum Thema „Interreligiöser Dialog: Wohin?“

SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner begrüsste die Gäste aus den jüdischen Gemeinden, Vertreter anderer Religionen, Wirtschaftsvertreter sowie Politiker. Die antisemitischen Äusserungen im Jahr 2014 hätten gezeigt, dass „es wichtig ist, bei Anfeindungen Freunde um sich zu wissen“. Guy Rueff, Präsident der Israelitischen Gemeinde Basel (IGB), äusserte sich in seiner Begrüssung anerkennend für die Kampagne des Kantons "Basel zeigt Haltung: Für Offenheit und Fairness, gegen Fremdenfeindlichkeit“. Der Regierungspräsident des Kantons, Guy Morin, erwähnte diese Kampagne in seinem Grusswort als klares Zeichen gegen zunehmende Intoleranz und Antisemitismus. Yaron Nisenholz, IGB-Rabbiner, erwähnte das „Brachjahr“ - landwirtschaftliches Ruhejahr und Schuldenerlass – als biblisches Vorbild, um füreinander einzustehen und für Bedürftige zu sorgen.

Herbert Winter, Präsident des SIG, bezeichnete in der Tour d’horizon den Gemeindebund als „die Stimme der Juden in der Schweiz“. Globalisierung und Internationalisierung hätten die Interessensvertretung des SIG komplexer gemacht. Es gelte inhaltlich selbstbewusst, in der Form aber bescheiden aufzutreten. Der zunehmende Antisemitismus im 2014 sei nicht das Produkt einiger Wirrköpfe gewesen, dafür hätten sich zuviele beteiligt. Der SIG müsse den Dialog verstärken, fühle sich aber bezüglich Sicherheit manchmal im Stich gelassen. Winter verdankte die am gleichen Tag erschienene Stellungnahme der Jüdisch/Römisch-katholischen Gesprächskommission (JRGK) und der Evangelisch-jüdischen Gesprächskommission (EJGK). Diese enthält laut den Kommissionen einen von „Sorge und Solidarität“ geprägten Aufruf an den Bundesrat, „die konkreten Sicherheitsmassnahmen für die jüdischen Gemeinden und Einrichtungen, wie Synagogen und Schulen, in der Schweiz durch mehr Ressourcen und Koordination zu verbessern“.

Interreligiöser Dialog: Wohin?
Im Podiumsgespräch zum Thema „Interreligiöser Dialog: Wohin?“ fragte der Moderator Gabriel Strenger, Jerusalem, nach der Bedeutung der vom 2. Vatikanischen Konzil 1965 verabschiedeten Erklärung „Nostra Aetate“ (deutsch: In unserer Zeit). Darin erteilt die römisch-katholische Kirche unter anderem dem kirchlichen Antijudaismus eine Absage. Das Bedeutungsvolle des Dokuments liege in der Feststellung des gemeinsamen Erbes sowie der gemeinsamen Wurzeln von Juden- und Christentum, meinte Kurt Koch. Die Konzilserklärung stelle einen radikalen Wandel in der Einschätzung der Juden von „Verfluchten“ zu „älteren Brüdern“ dar, so Rabbiner Rosen.

Beschneidung
Antisemitismus zeige sich auch in versteckter Form, als Verbot der Beschneidung oder von koscherem Essen, warf der Moderator ein und bat, dies zu kommentieren. Religionsfreiheit habe in der heutigen Gesellschaft ein doppeltes Problem, so Kurt Koch: Es sei wenig Wissen über andere Religionen vorhanden und die Religionsfreiheit werde eher als sekundäres Menschenrecht und nicht als eines der grundlegenden Menschenrechte angesehen. Die Beschneidung sei Teil der jüdischen Identität. Wer sie verbiete, verbiete jüdische Identität.

Judenmission
Ob das römisch-katholische Christentum auf Grund des Dokuments „Nostra Aetate“ die Judenmission aufgegeben hätte, wollte der Moderator Gabriel Strenger wissen. Der Kurienkardinal hielt fest, dass seine Kirche keine organisierten Anstrengungen zur Judenmission betreibe. Es gäbe aber konservative Katholiken, die zu alten Positionen hinter „Nostra Aetate“ zurückkehren wollten. Diese Minderheit sei gleichzeitig auch gegen die Konzilserklärung zur Religionsfreiheit oder gegen die Kollegialität unter den Bischöfen. Die Päpste nach dem 2. Vatikanischen Konzil hätten die Kontakte mit dem Judentum gefördert, Konzentrationslager, die Gedenkstätte Yad Vasehm und die Klagemauer in Jerusalem sowie die Synagoge in Rom besucht. Franzislus habe gesagt, dass man nicht Antisemit und Christ sein könne. Die Konzilserklärung „’Nostra Aetate’ is a point of no return“, so Koch, an dem in Englisch geführten Gespräch.

David Rosen meinte, dass es auch „engstirnige“ Rabbis gebe, dass er aber unter seinen orthodoxen Kollegen feststelle, dass sie sich mehr und mehr dem Dialog mit den Christen öffneten. Der Dialog führe aber nicht zu einer Religionsvermischung, sondern man lerne den anderen und seine Sichtweise besser kennen und schätzen, waren sich die Gesprächspartner einig.

Jesus - Messias
Juden würden hin und wieder mit der Frage konfrontiert, was sie von Jesus hielten bzw. warum sie ihn nicht als Messias anerkennen würden, sagte der Moderator. Rabbiner Rosen bezeichnete Jesus als „loyalen Juden“, der ganz und gar Jude gewesen sei. Der Messias müsse, laut seinem Verständis der biblischen Texte, weltweiten Frieden bringen. Das sei mit Jesus nicht der Fall gewesen, weshalb er immer noch auf den Messias warte, so Rabbi Rosen.

Interreligiöser Dialog
Gefragt nach den persönlichen Auswirkungen des interreligiösen Dialogs meinte Rabbi Rosen, dass er alle verändere, die daran teilnehmen würden. Er sei durch Dialog zu einem „besseren“ Juden geworden, der sich der Stereotypen, die er über andere Religionen gehabt habe, bewusst geworden sei. Zudem habe ihn der Dialog für die Grösse Gottes geöffnet.

Auch er habe durch Dialog seinen Glauben besser kennen gelernt, sagte Kurt Koch und festgestellt, wieviel Altes Testament im Neuen enthalten sei und wie sehr das Neue Testament im Alten wurzle. Er sei durch Dialog ein „besserer“ Christ geworden.

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