TERRE DES FEMMES Schweiz und Caritas Schweiz organisieren mit der Unterstützung von Amnesty International Schweiz am 6. Februar, dem «Internationalen Tag der Nulltoleranz gegen weibliche Genitalverstümmelung», von 17.30 – 18.30 Uhr eine Mahnwache auf dem Bahnhofplatz Bern. Sie wollten damit auf das Thema aufmerksam machen, heisst es in ihrer Medienmittteilung.
Demnach gehe man allein in der Schweiz von rund 15.000 Frauen und Mädchen aus, die von weiblicher Genitalbeschneidung betroffen seien oder in Gefahr lebten, beschnitten zu werden. Weltweit lebten derzeit mehr als 125 Millionen Frauen mit den Folgen ihrer Genitalbeschneidung (Female Genital Mutilation/Cutting, FGM/C). Viele von ihnen benötigten Schutz und Unterstützung von spezialisierten Fachpersonen.
Der Bundesrat hat letzten Herbst entschieden, ein Netzwerk gegen weibliche Genitalbeschneidung in der Schweiz zu finanzieren. Dies sei ein wichtiger und begrüssenswerter Schritt. Es fehle noch immer an einer nationalen FGM-Strategie sowie kantonalen Programmen. Diese seien aber laut den Organisatoren der Mahnwache unabdingbar, um weibliche Genitalbeschneidung in der Schweiz nachhaltig überwinden zu können.
Fehlendes Wissen bei Institutionen und Fachpersonen
Weibliche Genitalbeschneidung ist laut TERRE DES FEMMES und Caritas eine Form von Kindesmissbrauch und häuslicher Gewalt. Sie ist weltweit als Menschenrechtsverletzung anerkannt, in der Schweiz und in vielen anderen Staaten gesetzlich verboten und gilt hierzulande als Offizialdelikt. Zudem ist weibliche Genitalbeschneidung zwar als Fluchtgrund anerkannt, in der Praxis kommt diese Regelung jedoch nur selten zur Anwendung.
Oftmals fehle den Fachpersonen, die mit betroffenen oder gefährdeten Frauen und Mädchen konfrontiert seien, das nötige Spezialwissen. Es gehe darum, Personen aus den Bereichen Gesundheit, Asyl, Integration, Kinderbetreuung, Bildung und Kindesschutz gezielt zu schulen. Nur so könne gewährleistet werden, dass Betroffene die dringend benötigte Unterstützung erhielten.
Ein Verbot allein schütze die Mädchen nicht. Es brauche Präventionsmassnahmen in den Gemeinschaften. Für diese Arbeit in den Gemeinschaften setze Caritas Schweiz Migrantinnen und Migranten ein. Mit viel Geduld und Respekt für Traditionen schafften sie bei den betroffenen Müttern, Vätern, Mädchen und Jungen die notwendige Vertrauensbasis für das Gespräch über Kultur, Traditionen, Menschenrechte und die dramatischen Folgen der weiblichen Genitalbeschneidung. Die beiden Organisationen engagierten sich seit langem gemeinsam gegen weibliche Genitalbeschneidung in der Schweiz und würden auch Unterstützung und Beratung anbieten.
Adventistisches Spital in Berlin bietet ganzheitliche Hilfe für genitalverstümmelte Frauen
Das „Desert Flower Center“ im Krankenhaus Waldfriede in Berlin-Zehlendorf wurde am 11. September 2013 als weltweit erste Einrichtung eröffnet, die genitalverstümmelte Frauen ganzheitlich versorgt. Schirmherrin des Centers ist das ehemalige Model Waris Dirie. Seit 2002 setzt sie sich mit ihrer „Desert Flower Foundation“ in Wien für die Rechte afrikanischer Frauen und gegen das Ritual der Beschneidung ein.
Bei den medizinischen Eingriffen gehe es laut Chefarzt und Ärztlicher Direktor des Krankenhauses, Dr. med. Roland Scherer, um die Behandlung von Komplikationen nach FGM, wie Vernarbungen, Scheiden-Darm-Fisteln, Scheiden-Blasen-Fisteln, Schliessmuskelverletzungen sowie Harn- und Stuhlinkontinenz. Auch die Plastische Wiederherstellungschirurgie zur Rekonstruktion der Klitoris und des äusseren Genitales sei im „Desert Flower Center“ möglich, ebenso eine psychosoziale Betreuung und Beratung. Neben Fachärzten der Bereiche Proktologie und Urogynäkologie des Krankenhauses „Waldfriede“ arbeite im Bereich Plastische Chirurgie Dr. med. Uwe von Frischen, Chefarzt der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Helios Klinikum Emil von Behring, Berlin, im „Desert Flower Center“ mit. Scherer gab allerdings zu bedenken: „Wir können die Verstümmelungen der Frauen nicht vollständig rückgängig machen, aber wir können ihnen Lebensqualität zurückgeben.“
Psychotherapeutin, Pädagogin, Seelsorgerin, Beraterinnen und Dolmetscherinnen
Die ärztliche Koordinatorin im „Desert Flower Center“, die Oberärztin für Chirurgie Dr. med. Cornelia Strunz, berichtete, dass die meisten Frauen, welche zu ihrer Sprechstunde kamen, traumatisiert seien. Deshalb stünde für sie auf Wunsch auch ein Team mit einer Psychotherapeutin, einer Pädagogin, einer Seelsorgerin sowie Beraterinnen und Dolmetscherinnen bereit. Monatlich treffe sich eine Selbsthilfegruppe.
„Waldfriede“ mit umfangreichem Angebot
Das 160-Betten Krankenhaus „Waldfriede“ in Berlin-Zehlendorf ist akademisches Lehrkrankenhaus der Charité-Universitätsmedizin Berlin und behandelt jährlich etwa 13.000 Patienten stationär und 48.000 ambulant. Neben elf Fachabteilungen gehört zu „Waldfriede“ ein ambulanter häuslicher Pflegedienst (Sozialstation), eine Kurzzeitpflege, die Akademie für Gesundheits- und Krankenpflege, das Projekt „Babywiege“ (Babyklappe) für Mütter in Not sowie eine Kindertagesstätte. Schon 1993 entstand das Gesundheitszentrum „PrimaVita“ mit präventiv-medizinischem und gesundheitsförderndem Auftrag als erste krankenhauseigene Einrichtung ihrer Art in Deutschland. Das Krankenhaus ist unter anderem Mitglied im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sowie Teil des weltweiten „Adventist Health System“ der Siebenten-Tags-Adventisten. Weitere Informationen unter www.waldfriede.de