Vertreter der römisch-katholischen Kirche haben in Fulda/Deutschland die revidierte „Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift“ vorgestellt. Die Überarbeitung der 1979 erschienenen offiziellen Bibelausgabe der katholischen Kirche dauerte zehn Jahre. Anfang 2017 soll die neue Einheitsübersetzung im Buchhandel verfügbar sein.
Eine gemeinsame deutsche Bibel für den katholischen Gottesdienst
Laut emeritiertem Bischof Joachim Wanke (Erfurt), langjähriger Vorsitzender des Leitungsgremiums für die Revision der Heiligen Schrift, beschreibe der Name „Einheitsübersetzung“, dass es sich um eine katholische Bibelausgabe handele, die einheitlich für das ganze deutsche Sprachgebiet gelten soll. Dass man heute katholischerseits von Kiel bis nach Bozen und von Echternach bis Görlitz denselben deutschen Bibelton im Ohr habe, sei früher nicht selbstverständlich gewesen.
„Die erste Idee zu einer einheitlichen Übersetzung kam 1960 auf“, berichtete Wanke. Zudem habe das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) eine biblische Erneuerung von Seelsorge und Liturgie gefordert, „und in der Liturgie machte es den Weg frei für die Volkssprachen“. Wollte man dem Wunsch des Konzils gerecht werden, „brauchte es getreue und praxistaugliche Übersetzungen“. Deshalb hätten sämtliche Bischöfe des deutschen Sprachgebiets beschlossen, sich am Projekt „Einheitsübersetzung“ zu beteiligen. Es habe sich dabei um die Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz sowie die Bischöfe beziehungsweise Erzbischöfe von Strassburg, Luxemburg, Bozen-Brixen und Lüttich gehandelt. 1979 sei schliesslich die Einheitsübersetzung in verbindlicher Fassung als offizielle Bibelausgabe der römisch-katholischen Kirche im deutschen Sprachgebiet erschienen.
Eine moderate Überarbeitung
Da eine Sprache sich verändere und die Bibelwissenschaften zu neuen Erkenntnissen gelangten, auch wenn es dabei meist nur um philologische Nuancen gehe, hätten sich die drei Bischofskonferenzen sowie die anderen beteiligten Bischöfe 2003 miteinander verständigt, eine Revision der Einheitsübersetzung in Auftrag zu geben. Damit sei 2006 begonnen worden, so Bischof Wanke. Da die bisherige Einheitsübersetzung eingeführt, ihr sprachlicher Grundton weithin vertraut und auch bibelwissenschaftlich solide gewesen sei, habe es keiner völlig neuen Übersetzung bedurft. Es wäre stattdessen um eine moderate Überarbeitung unter möglichst weitgehender Wahrung des Textbestands gegangen. Nach all den Textarbeiten habe die neue Einheitsübersetzung die verschiedenen etwa zwei Jahre dauernden Prüf- und Genehmigungsverfahren der katholischen Kirche durchlaufen.
Auch Überarbeitung der liturgischen Bücher
Der Vorsitzende der Liturgiekommission der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Friedhelm Hofmann (Würzburg), wies darauf hin, dass die revidierte Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift in ihrem Wortlaut künftig im ganzen deutschen Sprachgebiet der katholischen Kirche verbindlich sei. Das gelte auch für die im Gottesdienst verwendeten liturgischen Bücher, die biblische Lesungen und Bibeltexte enthielten. Sie würden sukzessiv mit der neuen Textfassung der Einheitsübersetzung ausgestattet.
Neu in der Einheitsübersetzung – die Apostelin Junia
„An manchen Stellen ist die Übersetzung ein Kompromiss und sicher würde man in einigen Jahren wieder manches als ‚zeitbedingt‘ anders formulieren“, sagte die Geschäftsführende Direktorin des Katholischen Bibelwerks, Dr. Katrin Brockmöller, im Pressegespräch in Fulda. Anhand einiger Textbeispiele zeigte sie, wo es Veränderungen gegenüber der bisherigen Einheitsübersetzung gab. Lang ersehnt von vielen Bibelleserinnen wäre beispielsweise die Aufnahme der bibelwissenschaftlichen Erkenntnis in Römer 16,7: Der Gruss des Paulus richtet sich nun nicht mehr an einen vermeintlichen Junias, sondern an die Apostelin Junia. Ebenso lautet die Anrede in den Briefen des Neuen Testaments nun dem ursprünglichen Sinn entsprechend „Brüder und Schwestern“, wenn eine gemischte Gruppe der Gemeinde angesprochen werde.
Viele kleine sprachliche Veränderungen zeigten, dass Sprach- und Denkgewohnheiten sich in knapp 40 Jahren verändert hätten: Adam hat nun mit Eva statt einer „Hilfe, die ihm entspricht“ eine „ebenbürtige Hilfe“ (Genesis 2,16); Elisabet und Maria werden „schwanger“, statt „sie empfangen“. Neue Nuancen erwarteten die Leser auch in Exodus 19–20; zum Beispiel spricht Gott nun mit „verstehbarer Stimme“ nicht „im Donner“. Der Vorwurf Jesu an die Emmausjünger (Lukas 24,25) bewege sich jetzt weniger auf der kognitiven Ebene („begreift ihr denn nicht“), sondern beklage vielmehr ihre „trägen Herzen“. Damit sei das griechische Sprachbild korrekt wiedergegeben und zudem der Glaube als bewusste Herzensentscheidung angesprochen.
Keine ökumenische Bibelübersetzung mehr
Bischof Joachim Wanke wies darauf hin, dass die ökumenische Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Revision der Einheitsübersetzung nicht habe fortgesetzt werden können. Die Gründe hierfür seien „hauptsächlich verfahrenstechnischer Natur“ gewesen.
An der Einheitsübersetzung hatten von Beginn an auch evangelische Theologen mitgearbeitet. An der Übersetzung der Psalmen und des Neuen Testaments wirkte dann auf Bitten der Deutschen Bischofskonferenz die EKD offiziell mit. 1970 schlossen Bischofskonferenz und EKD einen Vertrag über die gemeinsame Arbeit an der neuen Bibel. Seit 1980 war diese auch für den Gebrauch in der evangelischen Kirche freigegeben und wurde insbesondere in ökumenischen Veranstaltungen neben der Lutherbibel verwendet. Im Zuge der Revisionsarbeiten kam es jedoch zu einem Konflikt zwischen der römisch-katholischen und der evangelischen Seite, in dessen Folge die EKD den 1970 geschlossenen Vertrag im Jahr 2005 aufkündigte.
Als entscheidendes Hindernis einer weiteren evangelisch-katholischen Zusammenarbeit an dem Projekt bezeichnete damals die EKD in einer Presseerklärung die vatikanische Instruktion über den „Gebrauch der Volkssprache bei der Herausgabe der Bücher der römischen Liturgie“ vom 28. März 2001. Dort seien Kriterien enthalten, „die von evangelischer Seite nicht mitgetragen werden können“. Der damalige EKD-Ratsvorsitzende und Berliner Landesbischof Wolfgang Huber wies darauf hin, dass in dem Vatikan-Text betont werde, dass bei einer Bibelübersetzung auch die katholische Glaubenslehre Berücksichtigung finden müsse. Im Protestantismus dagegen gelte allein die Heilige Schrift als Grundlage des Glaubens. Ausserdem befürchtete die EKD, dass die evangelischen Vertreter in strittigen Übersetzungsfragen überstimmt werden könnten.
Der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, erklärte 2005 zur Absage des Rates des EKD, dass es „eine erhebliche Belastung“ sei, „wenn gerade im Land der Reformation, wo wir über ein Vierteljahrhundert schon auf eine gemeinsame Übersetzung zurückgreifen konnten, dieses gemeinsame Zeugnis unterbrochen wird, während viele Nachbarn in anderen Ländern inzwischen ökumenisch vereinbarte Übersetzungen geschaffen haben“. Die in Fulda vorgestellte neue Einheitsübersetzung ist daher keine ökumenische Bibel mehr, sondern wird allein von der römisch-katholischen Kirche verantwortet.
Auch eine neue Lutherbibel
Nach fünfjähriger Arbeit wurde bereits im September 2015 die Revision der Lutherbibel abgeschlossen. Dazu hatte der Rat der EKD zur Koordination einen Lenkungsausschuss eingesetzt, in dem rund 70 exegetische Wissenschaftler, praktische Theologen sowie kirchleitende Personen vertreten waren. Die Deutsche Bibelgesellschaft wurde mit der Herstellung und Verbreitung der neuen Bibel betraut. Der Andruck der „Lutherbibel 2017“ erfolgte am 16. Juni 2016. Die neue Bibel erscheint zum Reformationstag 2016, der offizielle Verkaufsstart ist der 19. Oktober 2016.
Dazu meinte Bischof Wanke, es „steht ausser Frage, welch entscheidende Bedeutung der Heiligen Schrift für das gemeinsame Christusbekenntnis zukommt“. In diesem Sinne würden die katholischen Bischöfe zusammen mit der EKD am 9. Februar 2017 in Stuttgart eine ökumenische Bibeltagung abhalten. Dabei „wollen wir das Wort Gottes, das uns verbindet, gemeinsam ins Zentrum rücken“.
Die Geschichte der Lutherbibel
Die Lutherbibel geht auf die Übersetzungen des Reformators Martin Luther und seiner Mitarbeiter in den Jahren 1521 bis 1545 zurück. Die Übersetzung des Neuen Testaments erschien im September 1522 (Septembertestament). In den folgenden Jahren wurden kontinuierlich weitere Bücher der Bibel übersetzt, bis 1534 die erste Gesamtausgabe des Alten und Neuen Testaments erschien. Im Jahr 1545 kam die letzte von Luther selbst durchgesehene Gesamtausgabe heraus.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann man die Bibelübersetzungen, die auf Martin Luther zurückgingen, sich aber durchaus unterschieden, kritisch durchzusehen und eine erste Revision vorzunehmen. Sie hatte das Ziel, den ursprünglichen Luthertext wieder herzustellen und diesen an jenen Stellen, wo er nicht mehr verständlich oder unklar war, an den allgemeinen Sprachgebrauch anzugleichen. Immer noch in Gemeinde-Gebrauch ist der Text der zweiten Revision von 1912.
Die dritte und letzte Revision wurde in den Jahren 1964 (Altes Testament), 1970 (Apokryphen) und 1984 (Neues Testament) abgeschlossen. Zu einer heftigen Auseinandersetzung kam es im Zuge der Revisionsarbeiten im Jahr 1975. Der damals vorgelegte revidierte Text des Neuen Testaments stiess in weiten Teilen der evangelischen Kirche auf zum Teil massive Kritik. Man vermisste vor allem die „Treue gegenüber der Sprache Luthers“. Es wurde eine „Nach-Revision“ vorgenommen, sodass der gesamte Prozess der Revision erst 1984 zum Abschluss kam. Im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Rechtschreibung 1999 wurde der Text noch einmal durchgesehen.