In der Reformationsstadt Genf startete am 3. November das Jubiläum „500 Jahre Reformation“. Bundesrat Alain Berset hielt dabei die Eröffnungsrede. Bei der internationalen Feier wurde erstmals ein Trailer mit Zugmaschine, der sogenannte Reformationstruck, präsentiert, der von Genf aus 67 Reformationsstädte in 19 Ländern anfährt. In der Schweiz und ganz Europa finden in den nächsten Monaten Jubiläumsanlässe statt. Im Vordergrund stehe nicht die Rückbesinnung auf ein mystisches Datum, sondern die Frage, was die Reformation für die Generationen von heute und morgen bedeute, schreibt der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK in einer Medienmitteilung.
Bundesrat Alain Berset bezeichnete in seiner Rede die Reformation als „eine Bewegung, deren geistige, kulturelle, gesellschaftliche und politische Dynamik seit einem halben Jahrtausend weite Teile der Welt prägt“. Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern betonte auch die entscheidende Rolle, welche die Schweiz in der Geschichte der Reformation spielte: „Die Schweiz war eines der Epizentren dieses geistigen und gesellschaftlichen Erdbebens.“ Bundesrat Berset rief dazu auf, den 500. Geburtstag der Reformation konfessionsübergreifend zu feiern und den Dialog zu vertiefen. Protestanten und Katholiken verbinde weit mehr als sie trenne.
Jubiläumsfeier im Geiste der Freiheit
Wie wichtig der ökumenische Aspekt in diesem Jubiläumsjahr ist, betonte auch der Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds, Gottfried Locher. Die Reformatoren von damals hätten nie die Spaltung der Kirche gewollt, sondern allein die Erneuerung der bestehenden Kirche angestrebt. Für den Kirchenbund steht im Jubiläumsjahr nicht der Thesenanschlag vor 500 Jahren im Vordergrund, sondern die Frage, was die Reformation für die Generationen von heute und morgen bedeutet. „Quer denken, frei handeln, neu glauben“: So lautet der Slogan des Jubiläums, welches der Kirchenbund entwickelt hat. Im Kern gehe es um den reformatorischen Freiheitsgedanken, so Gottfried Locher: „Alle Menschen sind gleich vor Gott – diese Überzeugung der Reformatoren war vor 500 Jahren eine befreiende Botschaft. Und sie ist auch heute eine Botschaft der Freiheit.“ So verstanden sei die Reformation sowohl für Reformierte, für Anders- und für Nichtgläubige bedeutsam.
Reformationstruck auf dem Europäischen Stationenweg
Feierlich eingeweiht wurde in Genf der Reformationstruck, ein Trailer mit Zugmaschine in einer Gesamtlänge von 16,5 Metern. Der Truck wird für die Dauer eines halben Jahres in ganz Europa unterwegs sein. „Der Reformationstruck, der 19 Länder befährt, macht deutlich, dass die Reformation eine Weltbürgerin ist“, so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. 36 Stunden macht der Reformationstruck jeweils Halt, um die lokale Geschichte der Reformation aufzuzeigen. Ziel ist Wittenberg, der Wirkungsort Martin Luthers, wo am 20. Mai 2017 die Weltausstellung Reformation „Tore der Freiheit“ beginnt. Die Schweiz präsentiert sich mit einem künstlerischen Konzept. Der Ausstellungspavillon wird von den Basler Architekten Christ & Gantenbein gestaltet.
Genf – Reformationsstadt und Stadt des Friedens
Auf dem Genfer Plaine de Plainpalais, wo der Reformationstruck besichtigt werden kann, findet in den kommenden zwei Tagen ein umfassendes Programm statt – unter anderem ein interkultureller und interreligiöser Abend für die Jugend. „Es geht darum aufzuzeigen, dass Genf gerade auch wegen seiner Reformationsgeschichte zu einer Stadt des Friedens geworden ist“, so Organisator und Präsident der Genfer Landeskirche Emmanuel Fuchs. Genf ist Sitz vieler internationaler Organisationen, zum Beispiel vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), dem knapp 350 unterschiedliche Kirchen mit über 500 Millionen Gläubigen angehören. Für ÖRK-Generalsekretär Olav Fykse Tveit zeigt die aktuelle Kirchenbewegung zur Einheit sinnbildlich auf, „dass es einen Weg gibt zum gegenseitigen Verständnis, zur Versöhnung und letztlich zum Frieden“.