Unter dem Gebet „Come, Holy Spirit!“ kamen an die 600 Teilnehmer/innen zu den vierten Studientagen des Studienzentrums für Glaube und Gesellschaft an der Universität Fribourg vom 19. bis 21. Juni zusammen. Darunter war auch eine grosse Anzahl namhafter Professoren und Professorinnen der Theologie aus dem In- und Ausland, viele Studierende aus den Theologischen Fakultäten der Universitäten Fribourg, Bern und Zürich sowie Pfarrpersonen aus dem In- und Ausland.
„Der Heilige Geist ist der Reformer, der Kirche und Gesellschaft erneuert und transformiert.“ Mit diesen Worten von Walter Dürr, Direktor des Studienzentrums für Glaube und Gesellschaft, wurden die vierten Studientage eröffnet. Würdenträger aus zahlreichen kirchlichen Traditionen waren anwesend: der Erzbischof von Canterbury Justin Welby, Kardinal Christoph Schönborn OP, Metropolit Serafim Joanta, die Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentages Christina aus der Au sowie der Bischof von Kensington Graham Tomlin. Zudem war eine grosse Anzahl namhafter Professor/innen der Theologie aus dem In- und Ausland vor Ort, heisst es in der Medienmitteilung der Organisatoren.
Das Wirken des Geistes durch den Menschen für die Welt
Die Studientage begannen mit einem Vortrag des Neutestamentlers aus St. Andrews (Schottland), Prof. N.T. Wright. Er betonte das Wirken des Heiligen Geistes bei der Schöpfung, bei der Neuschöpfung in Jesus Christus sowie bei der Vollendung der Welt. Der das Ebenbild Gottes tragende Mensch sei ein vom Heiligen Geist befähigter Akteur, der an der Erneuerung der Schöpfung mitwirke, so N.T. Wright.
Der Erzbischof von Canterbury Justin Welby identifizierte drei Prioritäten für die heutige Kirche: die Wiederbelebung des Gebets, die Versöhnung untereinander und das Zeugnis des Glaubens für die Welt, das sich im Dienst in der Liebe zum Nächsten äussere. Laut idea betonte Justin Welby: "Die Kirche existiert aus zwei Gründen: Erstens, um Gott in Jesus Christus anzubeten und zweitens, um die Auferstehung und das Heil durch Christus zu bezeugen.» Wenn das nicht geschehe, sei die Kirche eine gute NGO, aber eben nur eine NGO.
Christoph Kardinal Schönborn betonte aus eigener Erfahrung die Wichtigkeit der verschiedenen vom Heiligen Geist inspirierten Aufbruchsbewegungen, die in Geschichte und Gegenwart belebend für die Kirche wirkten. In einem Gespräch zwischen Welby und Schönborn wurde das christliche Zeugnis als das Verbindende zur Sprache gebracht. Es sei wie bei den Speichen eines Rads, man komme sich umso näher, je näher man sich zur Nabe, Jesus Christus, hinbewege.
Raumgeben für den Heiligen Geist
Am Dienstag und Mittwoch fanden Vorträge zum Heiligen Geist aus den verschiedenen konfessionellen Perspektiven statt: die Professorin für Dogmatik in Fribourg, Barbara Hallensleben, aus katholischer Perspektive, Amos Yong aus dem nordamerikanischen Fuller Theological Seminary aus einer pentekostalen Perspektive, die Zürcher Theologin Christina aus der Au und der Berner Kirchenhistoriker Martin Sallmann aus der Perspektive der reformierten Theologie, der Präsident des St. Mellitus College in London, Bischof Graham Tomlin aus anglikanischer Perspektive und der Metropolit Serafim Joanta aus orthodoxer Perspektive.
Kirchenfenster als Bild für das Wirken des Heiligen Geistes
Graham Tomlin betonte, dass eine strukturelle Erneuerung der Kirche ohne eine Sehnsucht nach dem Heiligen Geist fruchtlos sei. Er gäbe auch keine neuen Offenbarungen zusätzlich zu dem, was bereits in der Bibel geoffenbart worden sei. Der Heilige Geist öffne vielmehr die Augen, um zu sehen und zu erleben, was Sache sei und verglich sein Wirken mit einem Kirchenfenster. Dieses bestehe bereits in Form, Gestaltung und Farbe. Der Heilige Geist nehme die Gläubigen in die Kirche hinein, sodass das, was bereits beim Kirchenfenster vorhanden ist an Darstellung und Farbe, zum eigenen Erleben werde. Tomlin zitierte zum Schluss seines Referats den orthodoxen Patriarchen von Antiochien, Ignatius IV.: "Ohne den Geist, ist Gott weit weg, Christus ist Teil der Vergangenheit, das Evangelium ist toter Buchstabe, die Kirche ist bloss eine Organisation und Mission verwandelt sich in Propaganda. Aber im Geist, ist Gott nahe, der auferstandene Christus ist gegenwärtig bei uns - hier und jetzt - das Evangelium ist Lebenskraft, die Kirche bedeutet trinitarische Gemeinschaft und Mission ist Ausdruck von Pfingsten."
Evangelium für „fromme Konsumenten“
Metropolit Serafim beklagte, dass die Kirche häufig den Geist um der Strukturen willen ersticke, statt Raum für seine Entfaltung zu geben. Ohne Kreuz werde das Evangelium etwas für „fromme Konsumenten“.
Der päpstliche Hofprediger Raniero Cantalamessa schickte eine Grussbotschaft aus Rom: „Erst in der Gemeinschaft und Einheit der Gläubigen ist der Leib Christi ganz. In der Uneinigkeit ist auch der Leib gebrochen.“
Der Pastor der Pfingstgemeinde in Caserta bei Neapel, Giovanni Traettino, sprach von seinen Begegnungen mit Papst Franziskus: „Der Weg zur Einheit läuft über Brüderlichkeit und Freundschaft.“
Auch Matthias Zeindler aus der Reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn und der Pfingsttheologe Jean-Daniel Plüss sprachen über geistliche Bewegungen in den eigenen Kirchen. An den Nachmittagen gab es Vertiefungsseminare mit den Referierenden.
Gemeinsam betend in die Zukunft
Als einen der Höhepunkte der Fribourger Studientage bezeichnen die Organisatoren den Ökumenischen Gebetsgottesdienst in der St. Nikolaus Kathedrale. Es wurde nicht nur über den Heiligen Geist gesprochen, sondern gemeinsam um das Kommen des Heiligen Geistes gebetet. Mit mehr als 800 Gottesdienstteilnehmenden war die Kirche übervoll. Zu den genannten Würdenträgern kamen viele weitere leitende Persönlichkeiten aus Kirche und Akademie dazu, wie etwa der Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes Gottfried Locher, Abt Urban Federer aus Einsiedeln, die Vize-Präsidenten der Freikirchen in der Schweiz Claudia Haslebacher, Präsident der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK.CH) Weihbischof Denis Theurillat und der Generalsekretär der Evangelischen Allianz, Matthias Spiess.
Die Vielfalt der liturgischen Formen sowie die Möglichkeit, über die Konfessionsgrenzen hinweg gemeinsam zu beten und einander wahrzunehmen, sei von den Teilnehmenden am Gottesdienst als grosse Bereicherung wahrgenommen worden, schreiben die Organisatoren der Konferenz in einer Medienmitteilung.
Weitere Informationen unter www.glaubeundgesellschaft.ch