Basel und Genf/Schweiz, 13.11.2017/APD – Was bedeutet es, als Christen in einer «alternativ-faktischen» Postmoderne zu leben und sich der Wahrheit verpflichtet zu sehen? Dieser Frage, und wie man sie in Politik und Medien umsetzen kann, sind laut einer Medienmitteilung von ChristNet am 11. November mehr als 20 Teilnehmende am ChristNetForum «Alles Fake?» in Biel nachgegangen. Veranstalter war ChristNet, das nach eigenen Angaben als Denkfabrik für eine Erneuerung der Nächstenliebe in Politik und Gesellschaft einsteht.
In Impulsreferaten zu Medien und Politik sei die Brisanz des Themas entfaltet, in Workshops darum gerungen und in einer Podiums- und Publikumsdiskussion mit einer Nationalrätin, einem Alt-Nationalrat, einem Journalisten und einem Theologen vertieft worden, so ChristNet.
Mauern überwinden
Christen, die ihre Identität in Christus verankert hätten, seien frei, sich miteinander für die Wahrheit, die an die Person Jesus gebunden sei, zu engagieren, sagte Michal Gonin, Ethiker. Man müsse sich dann auch nicht mehr hinter Mauern verschanzen, wie auch immer diese sich nennen würden: links oder rechts, katholisch oder evangelisch, charismatisch oder anticharismatisch, so der Ethiker. Michal Gonin, lehrt in St-Légier (VD) Theologie und fördert in der Wirtschaft soziales Unternehmertum.
Gilt «Du sollst kein falsch Zeugnis reden» nicht mehr?
Wenn das Problem nur bei Trump oder «den Russen» gesucht werde, man sich gleichzeitig aber nicht wirklich in den eigenen Gewissheiten stören liesse, dann sei man selbst Teil eines «Fake-News-Systems», so Markus Meury, Soziologe aus Lausanne. Er erinnerte daran, dass 81 Prozent der US-Evangelikalen für Trump gestimmt hätten, obschon dessen Aussagen laut diversen Analysen deutlich weniger Wahrheitsgehalt aufgewiesen hätten als jene bei allen früheren Präsidentschaftskandidaten. Meury habe dazu ermutigte, im Sinne von Paulus «alles zu prüfen», sauberer nach Quellen zu suchen, Rechenschaft abzulegen und auch einzufordern. Meury fragte, ob das 9. Gebot, wonach man nicht falsch Zeugnis reden soll, irrelevant oder weniger wichtiger geworden sei.
Christen sollen Verschwörungstheorien das Wasser abgraben
Wenn Fakten nur noch als Meinung gälten, so sei das problematisch, weil dann das grösste Megaphon, die beste Social-Media-Plattform darüber entscheide, was Wahrheit sei. Unwahrheit aber wirke zersetzend. Wahrheit hingegen meine Verlässlichkeit und Faktentreue.
Meury regte an, dass Gemeinden unabhängige Medien und das Vertrauen in die Wissenschaft fördern könnten. Es gehe darum, der Weltangst, die den Urgrund von Verschwörungstheorien bilde, ohne Druck und Machtanspruch das Wasser abzugraben.
«Als Christen wollen wir neu unsere Stellung als ‹Wahrheitsspezialisten› wahrnehmen. Wir wollen lernen, die Welt wahrhaftig zu lieben, unsere Blase zu verlassen, Andersdenkenden zuzuhören. Wir wollen uns in unserem Weltbild stören lassen und auch andere stören», so Samuel Ninck-Lehmann, Koordinator von ChristNet.
Qualitätsjournalismus fördern
In einem Podiums- und Publikumsgespräch, das Vertreter aus Theologie, Journalismus und Politik versammelte, ermutigte Jean-Pierre Graber, ehemaliger SVP-Nationalrat, anhand konkreter Beispiele dazu, politische Mandate mutig und kraftvoll zu übernehmen.
Marianne Streiff-Feller, EVP-Nationalrätin, bestätigte, dass in ihrer Arbeit nicht immer die Suche nach Konsens im Mittelpunkt stehe. Politisches Handwerk beinhalte auch den Ansatz, die anderen von der eigenen Meinung überzeugen zu wollen. Aber es sei wichtig, die Beziehung mit Ratskollegen zu pflegen und damit parteipolitische Gräben zu überwinden.
Florian Wüthrich, Journalist und Leiter bei «Livenet», betonte, wie schwierig es sei, auf einer Online-Plattform wie «Livenet», Qualitätsjournalismus bezahlt und damit auch gefördert zu bekommen.
Mehr zum Forum ChristNet: www.ChristNet.ch