Mit dem Thema „Traglast überschritten? – Populismus, Demokratie und ‚Volkes Wille‘“ befasste sich die gemeinsame Herbsttagung des Deutschen Mennonitischen Friedenskomitees (DMFK) und des Mennonitischen Friedenszentrums Berlin (MFB) vom 24. bis 26. November in Berlin-Lichterfelde. Der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Dr. Roland Löffler (Dresden), erläuterte dabei Begriffe wie Populismus, Extremismus und religiöser Fundamentalismus.
Den „roten Faden“ im Miteinander finden
Die Frage „Wieviel Populismus verträgt eine Demokratie und auch ein Land?“ wurde während der Tagung diskutiert. „Einer trage des andern Last“, so ein Bibelwort im Galaterbrief des Apostel Paulus. Aber was ist, wenn populistische Hasstiraden nicht mehr zu ertragen sind? Wenn die Zerrissenheit innerhalb der Gesellschaft einen Meinungsaustausch fast unmöglich erscheinen lässt? Wenn eine Gesprächs- und Diskussionskultur, die eine offene Gesellschaft ausmacht und trägt, an gegenseitiger Ablehnung und Sprachlosigkeit zu scheitern droht? Nach dem Verständnis der Mennoniten ist Friedensarbeit der „rote Faden im Miteinander“ um eine „Kultur des Friedens“ aufzubauen. Deshalb gelte es, Wege aus der Polarisierung zu finden um zu einer friedfertigen Gemeinschaft zu gelangen. Doch wie soll das geschehen?
Populismus, Extremismus, religiöser Fundamentalismus
In seinem Vortrag „Populismus – Extremismus – religiöser Fundamentalismus and all that …“ versuchte der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Dr. Roland Löffler, Begriffe zu klären. Wobei er den Populismus als ein Phänomen darstellte, das nicht so einfach greifbar sei. Nicht jeder, der die Mächtigen kritisiert, sei ein Populist, denn es gebe oft gute Gründe auf Mängel hinzuweisen. Populist sei dagegen, wer den Anspruch erhebe, nur er vertrete das wahre Volk. Das habe zur Folge, dass Bürger, die dem populistischen Führer die Unterstützung verweigern, gar nicht wirklich zum Volk gehörten. Populisten hätten auch keine grundsätzlichen Einwände gegen die repräsentative Demokratie. Das Problem wäre aus ihrer Sicht lediglich, dass die falschen Repräsentanten an der Macht seien. Das wahre Volk sei die sogenannte schweigende Mehrheit, die, wenn sie sprechen könnte, die Populisten sofort an die Macht befördern würde.
Strittig sei, ob Populismus per se eine Gefahr für demokratische Systeme darstelle oder, einem Seismografen gleich, auf vernachlässigte Probleme hinweise. Es gelte eine Debattenkultur zu etablieren, in der alle Herausforderungen und Probleme in einer Gesellschaft zwar benannt werden könnten, dies aber unaufgeregt und differenziert statt diffamierend und verkürzt. Dabei müsse die Würde des Andersdenkenden gewahrt bleiben.
Der politische Extremismus lehne den demokratischen Verfassungsstaat ab und wolle ihn beseitigen. Alle Varianten des Extremismus verneinten daher die Pluralität der Interessen, Mehrparteiensysteme und das Recht auf Opposition. Wer meint, den „wahren Glauben“ zu haben oder sich von der Welt abkehre, müsse deshalb noch kein religiöser Fundamentalist sein. Anders sei es dagegen, wenn eine Gruppe die eigene Überzeugung so absolut setzt, dass sie diese auch anderen aufzwingen möchte, etwa mit Hilfe des Staates. Besser wäre es dagegen, wie ein Sprichwort sage, „in den Stiefeln des Anderen zu laufen“. Wer versucht, den Anderen in seiner Andersartigkeit, trotz eigener fester Überzeugung, zu verstehen, könne ihn achten und mit ihm in Frieden leben.
Planspiel Kirchengemeinderat
Ein von Tagungsleiterin Pastorin Martina Basso durchgeführtes Planspiel machte an einem fiktiven Fall deutlich, wie schwierig der praktische Umgang mit der Thematik sein kann. Die Aufgabenstellung: Zu einer Kirchengemeinderatswahl haben sich auch Kandidaten beworben, die durch populistische und teilweise fremdenfeindliche Äusserungen bekannt wurden. Sie finden mit ihren Ansichten Rückhalt bei einem Teil der Gemeinde. Wie sollen die Verantwortlichen in der Kirchengemeinde darauf reagieren? Welche Auswirkungen hat deren Reaktion auf die Mitglieder der Gemeinde, deren Umfeld und die Öffentlichkeit?
Die Mennoniten
Mennonitische Gemeinden haben ihren Ursprung in der Täuferbewegung der Reformationszeit des 16. Jahrhunderts in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden. Besonderes Kennzeichen der Bewegung sind die freiwillige Mitgliedschaft durch die Taufe auf das Bekenntnis des persönlichen Glaubens, die Ablehnung von Gewalt und die Verweigerung des Eides sowie die Forderung nach einer vom Staat unabhängigen Kirche. Als Kriegsdienstverweigerer gehören die Mennoniten zu den historischen Friedenskirchen.
Zur Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland (AMG) zählt das Deutsche Mennonitische Friedenskomitee in Bammental bei Heidelberg. Das DMFK möchte Kirchengemeinden und Einzelnen Informationen, Beratung und praktische Hilfe geben, Schritte zum Frieden zu gehen. Dazu gehöre die Einübung von Feindesliebe in unterschiedlichen Lebenszusammenhängen, etwa in gewaltfreier Konfliktlösung und Mediation. Mennoniten laden alle Kirchen ein, im Sinne Jesu Friedenskirche zu sein.
Das Mennonitische Friedenszentrum Berlin ist ein Projekt der Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden (VDM) im Rahmen der Dekade des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) zur Überwindung von Gewalt. Die Arbeitsschwerpunkte des MFB liegen in der kritischen Begleitung von Politik und Weltgeschehen, in der Gewaltprävention durch Netzwerkarbeit sowie einer Kooperation zur Konflikttransformation in Simbabwe. Das MFB nimmt auch an der Stadtteilarbeit im Berliner Bezirk Neukölln teil. Dabei geht es unter anderem um Gewaltprävention durch Selbstverteidigungskurse für geflüchtete Frauen. Im „Café Global“ können sich Berlinerinnen und Berliner mit und ohne Migrationshintergrund wöchentlich treffen, miteinander essen und trinken, diskutieren und austauschen. Das 14-tägige Treffen im „Café Abraham-Ibrahim“ soll interessierten Muslimen, Christen und Atheisten helfen, die anderen begreifen zu lernen, Unterschiede zu akzeptieren und nach gemeinsamen Werten zu fragen.