Am Abend des 14. Oktober stimmten die Delegierten des Exekutivausschusses der adventistischen Weltkirchenleitung (GC-ExCom) während der Jahressitzung (Annual Council) in Battle Creek, Michigan/USA nach mehr als fünf Stunden Präsentationen und Diskussionen der Empfehlung des „Ausschusses zur Aufsicht der Einheit“ („Unity Oversight Committee“, UOC) zu. Damit wurde ein neues Verfahren beschlossen, wie vorgegangen werden soll, wenn eine regionale oder überregionale Kirchenleitung (Vereinigung bzw. Union/Verband) nicht in Übereinstimmung mit Beschlüssen der adventistischen Weltsynode (Generalkonferenz-Vollversammlung) bzw. mit den Beschlüssen und Arbeitsrichtlinien (Working Policy) der Weltkirchenleitung (Generalkonferenz, GC ) steht.
In der Abstimmung wurde mit 185 zu 124 Stimmen sowie zwei Enthaltungen das Dokument mit dem Titel «Beachtung und Durchführung der Beschlüsse der Generalkonferenz-Vollversammlung [Weltsynode] und des Exekutivkomitees der Generalkonferenz [Weltkirchenleitung]» («Regard for and Practice of General Conference Session and General Conference Executive Committee Actions») angenommen. Diese Entscheidung war eine Ergänzung der Abstimmung durch den Exekutivausschuss der Generalkonferenz (GC-ExCom) während der Jahressitzung im Oktober 2017. Dieser hatte den damals vom «Ausschuss zur Aufsicht der Einheit» («Unity Oversight Committee», UOC) vorgelegten Vorschlag an den Ausschuss zur weiteren Bearbeitung zurückgewiesen.
Neues Verfahren
Aufgrund des angenommenen Dokuments muss der Verwaltungsausschuss eines Verbandes bzw. einer Union oder einer Vereinigung (überregionale und regionale Kirchenleitung) Regelverstösse von Amts wegen ausfindig machen und der jeweils nächsthöheren Dienststelle melden.
Wird keine Lösung auf der nächstgelegenen Verwaltungsebene gefunden, kann der Verwaltungsausschuss der Generalkonferenz (GC-AdCom) die Angelegenheit an einen von fünf Beratungsausschüssen verweisen. Diese Ausschüsse, die als «Ausschüsses zur Aufsicht der Einheit» («Compliance Committees») bezeichnet werden, waren vom Verwaltungsausschuss der Generalkonferenz (GC-AdCom) eingesetzt worden.
Nach Prüfung der Angelegenheit kann der entsprechende «Ausschusses zur Aufsicht der Einheit» («Compliance Committee») Empfehlungen für Disziplinarmassnahmen an den Verwaltungsausschuss der Generalkonferenz (GC-AdCom) abgeben. Der Verwaltungsausschuss (GC-AdCom) kann seine Empfehlungen dann an das rund 60-köpfige Komitee, das aus leitenden Mitarbeitenden der Generalkonferenz und den Officers der weltweit dreizehn Divisionen (teilkontinentale Kirchenleitungen) zusammengesetzt ist (GCDO) sowie an den Exekutivausschuss der adventistischen Weltkirchenleitung (GC-ExCom) weiterleiten.
Sollten abweichende Beschlüsse nicht rückgängig gemacht bzw. keine Lösungsvorschläge unterbreitet werden, kann der Präsident dieser Verwaltungseinheit Disziplinarmassnahmen unterworfen werden, wie offizielle Verwarnung/Abmahnung und öffentliche Rüge. Mit einer Zweidrittelmehrheit kann er auch aus dem Exekutivausschuss der Weltkirchenleitung (GC-ExCom) ausgeschlossen werden, dem er als Verbandspräsident von Amts wegen angehört. Diese Disziplinarmassnahmen können nur vom Exekutivausschuss der Weltkirchenleitung (GC-ExCom) beschlossen werden.
Diskussion
Die Sitzung wurde von Pastor Ted N.C. Wilson, Präsident der Weltkirchenleitung (Generalkonferenz, GC) der Siebenten-Tags-Adventisten, geleitet. Er bat alle, ihre Meinung frei zu äussern. Per Livestream verfolgten rund 2.500 Personen weltweit die Sitzung, die trotz ihrer Bedeutung, sachlich geführt wurde.
Vorwiegend ablehnende Voten
Nach einführenden Hinweisen und Präsentationen zum neuen Verfahren stellten sich 72 Delegierte und Gäste, letztere hatten nur ein Rederecht, an fünf Mikrofonen im Saal auf, um ihre Voten in einer Sprechzeit von zwei Minuten zum vorliegenden Dokument abzugeben. Es sprachen sich mehr als 50 Redner und wenige Rednerinnen, zur überwiegenden Zahl aus den USA sowie europäische Delegierte, gegen das vorgeschlagene Verfahren aus. Rund 20 zustimmende Voten kamen vorwiegend von Delegierten aus Afrika und Asien.
In den ablehnenden Voten wurde inhaltlich kritisiert, dass das neue Verfahren Misstrauen und nicht Vertrauen in der Kirche fördere. Es versetze die Kirche in einen Überwachungsmodus. Das Dokument werde die adventistische Kirche nachhaltig negativ verändern, mahnten andere. Es bestünden bereits Richtlinien, wie bei Regelverstössen verfahren werden soll, es brauche keine neuen. Andere thematisierten die Gewissensfreiheit, die auch innerhalb der Kirche gewährt bleiben müsse. Pastor Tamas Ocsai, Kirchenpräsident in Ungarn, erwähnte die 40-jährige Kirchenspaltung in Ungarn, die nur durch Liebe und Gebet vor wenigen Jahren habe überwunden werden können. Lowell Cooper, ehemaliger Vizepräsident der Weltkirchenleitung, fragte, was mit Ortsgemeinden geschehe, die sich weigerten Diakoninnen einzusegnen, obwohl dies in der «Working Policy» vorgesehen sei. «Die Mitglieder der Nordamerikanischen Division werden das Gefühl haben, dass sie an den Rand der Kirche gedrängt wurden», sagte Pastor Daniel Jackson, Präsident der Siebenten-Tags-Adventisten in Nordamerika.
Voten deutschsprachiger Kirchenleiter
Werner Dullinger, Präsident des Süddeutschen Verbandes (SDV), erwähnte in seinem Votum, dass in der Regelung keine Gewaltenteilung vorgesehen sei, weil Rekurse an die gleiche Instanz gerichtet werden müssten, die das Urteil gefällt habe. Johannes Naether Präsident des Norddeutschen Verbandes (NDV), wies darauf hin, dass das neue Verfahren nicht die Einheit, sondern Spaltung fördere. Das Evangelium werde mit der Annahme des Dokuments beschädigt, so Naether. Stephan Sigg, Kirchenleiter in der Schweiz, sagte, dass von oben nach unten organisierte Kirchen nicht dem adventistischen Kirchenverständnis entsprechen würden und zentralisierte Kirchenleitungen das Gemeindewachstum behinderten. «Warum sollten wir das verändern, was unsere Pioniere dezentral geschaffen haben?», fragte Sigg.
Formale Kritik
Formal wurde kritisiert, dass die Entscheidung im vorberatenden Gremium (GCDO), das Dokument zur Beratung und Beschlussfassung den GC-ExCom-Delegierten vorzulegen, mit einer äusserst knappen Mehrheit von 32:30 Stimmen entschieden worden sei. Das sei keine Basis, um eine solche weitreichende Entscheidung zu treffen, betonte Randall Roberts, ein Delegierter aus den USA.
Zustimmende Voten
Die zustimmenden Voten, vor allem von Delegierten aus Afrika und Asien, betonten, dass klare Regeln auch klare Verhältnisse und damit Ordnung und Frieden in der Kirche schaffen werden. Einige führten an, dass ihre Kirchenmitglieder diese Fragestellung nicht interessiere und dass die Weltkirchenleitung das Thema abhacken solle, um sich vermehrt der eigentlichen Aufgabe der Kirche, der Förderung der Mission, zuzuwenden. Andere führten an, dass sich die Kirche unmöglich mache, wenn sie zwar Beschlüsse fasse, auf deren Umsetzung sie dann aber nicht bestehe.
Frage der Ordination von Frauen zum Pastorendienst als Auslöser
Das Verfahren zur Schlichtung kirchlicher Angelegenheiten sei durch die Diskussion um die Ordination von Frauen zum Pastorendienst ausgelöst worden, stellte schon 2017 Pastor G. T. Ng, Generalsekretär der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung), fest. Es gibt überregionale Kirchenleitungen (Verbände/Unionen), die Pastorinnen ordiniert haben und die damit nicht in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Weltsynode (Generalkonferenz-Vollversammlung) sind. Dennoch gehe es beim Verfahren zur Schlichtung kirchlicher Angelegenheiten um weit mehr als um die Regelung der Frage der Frauenordination, so Ng.