Rund 670 000 Personen sind in der Schweiz von Armut betroffen. Das zeigen die am 4. Juli publizierten Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS). Verglichen mit dem letzten Jahr hat die Armut von 7,5 auf 8,2 Prozent der Bevölkerung zugenommen. Dies ist ein Anstieg um beinahe zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Caritas fordert in einer Medienmitteilung angesichts «dieser alarmierenden Entwicklung von Bund, Kantonen und Gemeinden entschlossenes Handeln und eine wirksame Armutspolitik».
Trotz guter wirtschaftlicher Konjunktur steigt die Zahl der Armutsbetroffenen in der Schweiz seit 2014 konstant an. Die Zahl der von Armut Betroffenen ist in einem Jahr von 615 000 auf rund 670 000 hochgeschnellt. Diese Entwicklung steht in scharfem Kontrast zur Zielsetzung einer Halbierung der Armut in den kommenden zehn Jahren, zu welcher sich die Schweiz mit der Unterzeichnung der globalen Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verpflichtet hat.
Armutsrisiken
Überdurchschnittlich oft arm sind laut Caritas Alleinerziehende, Personen ohne nachobligatorische Bildung und allein Lebende. Mangelnde Bildung, Verlust der Arbeitsstelle, kleine oder mehrere Kinder in einer Familie sowie Trennung und Scheidung sind die grössten Armutsrisiken in der Schweiz.
Zum zweiten Mal hat das BFS dieses Jahr zudem Daten zur Armutsdauer ausgewertet. Die Analyse zeigt: Viel mehr Menschen als angenommen machen hierzulande Erfahrungen mit Armut. 12,8 Prozent waren in der Schweiz in den vergangenen vier Jahren mindestens ein Jahr lang arm.
Eine landesweite Strategie gegen Armut notwendig
Die neuen Zahlen machen laut Caritas deutlich: Armut sei kein marginales Problem, sondern die neue sozialpolitische Herausforderung. Armutsrisiken wie Aussteuerung, Langzeitarbeitslosigkeit oder Scheidung seien nicht abgesichert. Dass der Bundesrat sich im letzten Jahr aus der Armutspolitik zurückgezogen habe, erweise sich nun als Bumerang. Das Problem dürfe nicht einfach den Kantonen und Gemeinden aufgebürdet werden. Es brauche dringend eine landesweite Armutsstrategie, die Bund, Kantone und Gemeinden gemeinsam erarbeiten müssten.
Zusammen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und Armutsbetroffenen gelte es, verbindliche Ziele und Massnahmen zu definieren, um Armut nachhaltig zu bekämpfen. Prioritär seien die Existenzsicherung und die soziale Teilhabe, kontinuierliche Bildungsmöglichkeiten sowie die bessere Vereinbarung von Beruf und Familie. Die aktuell zur Diskussion stehenden Abbaumassnahmen – beispielsweise in der Sozialhilfe oder der individuellen Prämienverbilligung – verschärften das Armutsproblem, schreibt Caritas.