Am 25. November wurde der evangelische Pastor Olaf Latzel vom Amtsgericht Bremen wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätze zu je € 90, also € 8.100 (CHF 8.750) verurteilt. Das entspricht einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, welches die unterste Grenze der Strafbarkeit gemäss § 130 Abs.1 des Strafgesetzbuches (StGB) in Deutschland darstellt. Er hatte sich mehrfach aus seinem Bibelverständnis heraus scharf abwertend über Homosexualität geäussert, unter anderem in einem Eheseminar, welches auf YouTube verbreitet wurde. Dr. Harald Mueller, Leiter des Instituts für Religionsfreiheit an der adventistischen Theologischen Hochschule Friedensau/Deutschland, nimmt in einem Kommentar zum Urteil Stellung.
Ist die Religionsfreiheit in Gefahr?
Ist mit dieser Entscheidung die Religionsfreiheit bedroht? Darf man nun nicht mehr frei sagen, was man glaubt und was die Bibel sagt? Der Fall erinnert an die Verurteilung des Pfingstpastors Åke Green im Jahr 2004 in Schweden, die dann in den höheren Instanzen mit Rücksicht auf die Religionsfreiheit aufgehoben wurde. Welche Wellen wird der Fall Latzel in Deutschland schlagen?
Zunächst muss festgehalten werden, dass eine Verurteilung wegen Volksverhetzung voraussetzt, dass eine gruppenbezogene Aufstachelung zum Hass vorliegt, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Latzel hatte nach den Feststellungen des Amtsgerichts von einer „teuflischen Homo-Lobby“ gesprochen und von „Verbrechern vom Christopher Street Day“, die überall herumliefen. Nach Einschätzung des Gerichts hatte er damit eine Stimmungsmache betrieben, die als Lizenz zum Handeln gegen diese Menschen verstanden werden könnte. Eine Rolle spielte für die Richterin auch, ein Zeichen gegen das zunehmend rauer werdende Klima in der Gesellschaft zu setzen.
Es bleibt abzuwarten, ob das Urteil rechtskräftig wird. Es handelt sich um eine sogenannte Hate-Speech-Situation, die in vielen Rechtsordnungen geregelt und mit Sanktionen belegt ist. Es ist nicht einfach, derartige Fälle von Äusserungen abzugrenzen, die sich im Rahmen der Meinungs- und Religionsfreiheit bewegen und durch diese Grundrechte geschützt sind. Eine Grenzüberschreitung ist aber sicher gegeben, wenn Anstachelung zum Hass (Incitement to Hatred) vorliegt, wie es auch die deutsche Regelung des § 130 StGB vorsieht. Das ist gut so.
Klarer Standpunkt vs. Diffamierung
Es ist nicht dasselbe, ob ein klarer Standpunkt vertreten wird, auch wenn er nicht der Mehrheitsmeinung entspricht, oder ob diffamierend eine Gruppe von Menschen mit Verbrechern gleichgesetzt wird. Wichtig ist, dass sich in der rechtlichen Bewertung von Äusserungen die Grenze zukünftig nicht stärker zu Lasten der Religions-und Meinungsäusserungsfreiheit verschiebt. Hier gilt es, wachsam zu sein. Religiöse Meinungsäusserungen dürfen keineswegs deswegen eingeschränkt werden, weil sie nicht dem vermeintlichen Zeitgeist folgen.
Dr. Harald Mueller