Am 6. April verstarb der 1928 in Sursee (Schweiz) geborene Theologe Hans Küng in seinem Haus in Tübingen/Deutschland, wie die Eberhard-Karls-Universität Tübingen in einer Medienmitteilung schreibt. Er galt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Theologen der Gegenwart.
«Mit Hans Küng verliert die Universität Tübingen einen produktiven Forscher, einen überaus schöpferischen Gelehrten und einen exzellenten Theologen», sagte der Rektor der Universität, Professor Bernd Engler. «Küng hat mit dem Institut für Ökumenische Forschung und dem Weltethos-Institut an unserer Hochschule Einrichtungen von bleibender Bedeutung geschaffen und damit die Universität tiefgreifend geprägt. Mit seinem weltweit anerkannten Einsatz für Kirchenreformen und für den Dialog der Religionen hat er massgeblich zum internationalen Ansehen der Universität Tübingen beigetragen.»
Von 1948 bis 1957 studierte Küng Philosophie und Theologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und an der Sorbonne zu Paris. 1960 wurde Küng als ordentlicher Professor für Fundamentaltheologie an die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Tübingen berufen. Drei Jahre später wurde er zusätzlich Direktor des von ihm gegründeten Instituts für Ökumenische Forschung.
Infragestellung von Lehrmeinungen
In der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65), hatte sich ein Konflikt Küngs mit den Bischöfen entwickelt, in dessen Mittelpunkt die Unfehlbarkeit des Papstes und Grundfragen der Christologie standen. Hans Küng war der erste bekannte Theologe römisch-katholischer Herkunft seit dem Schisma der alt-katholischen Kirche von 1870, der die Unfehlbarkeit des Papstes öffentlich und grundsätzlich in Frage stellte.
Den Lehrmeinungen der römisch-katholischen Kirche stand Küng kritisch gegenüber und hinterfragte die Legitimation der in der römisch-katholischen Kirche als gottgegeben geltenden Lehrmeinungen. Dabei stellte er vor allem folgende Lehrmeinungen in Frage: Unfehlbarkeit des Papstes, Unsittlichkeit der künstlichen Empfängnisverhütung, strikte Unerlaubtheit der Abtreibung, Unmöglichkeit der Frauenordination, Ungültigkeit der anglikanischen Weihen und Festhalten an der Zölibatsverpflichtung für Kleriker. Trotzdem betonte Küng immer wieder, er sehe sich als «loyalen katholischen Theologen».
Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis
Der Theologe äusserte wiederholt Kritik am Papst und an der katholischen Kirche. Zur Jahreswende 1979/80 reagierte der Bischof von RottenburgStuttgart auf Druck von Papst Johannes Paul II. und der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis (Missio canonica). Um Küng eine weitere Lehrtätigkeit an der Universität Tübingen zu ermöglichen, einigten sich die Landesregierung, die Universitätsleitung und der Theologe auf einen Kompromiss: Die Hochschule gliederte sein Institut für Ökumenische Forschung aus der Katholisch-Theologischen Fakultät aus und unterstellte es direkt dem Senat – ein einmaliges Modell in der Geschichte der Universität Tübingen, heisst es in der Medienmitteilung. Bis zu seiner Emeritierung 1996 blieb Küng als Direktor des Instituts für Ökumenische Forschung weiterhin Professor an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und war weiterhin römisch-katholischer Priester.
Stiftung Weltethos
Als Pionier des interreligiösen Dialogs und für seinen Einsatz für ein Kulturen und Religionen übergreifendes Menschheitsethos, ein „Weltethos“, erlangte Hans Küng weltweites Ansehen in allen Weltreligionen. Für Hans Küng war zur Erhaltung des Weltfriedens ein Religionsfrieden Voraussetzung. Deshalb hat er herausgearbeitet, dass die verschiedenen Weltreligionen in den zentralen Grundfragen – wie etwa bei den zehn Geboten - tatsächlich eine ähnliche Ethik haben. Der Theologe billigte dabei dem Christentum einen relativen Vorrang vor anderen Weltanschauungen zu.
Unter seiner Federführung verabschiedete das «Parlament der Weltreligionen» im Jahr 1993 die «Erklärung zum Weltethos», 1995 wurde in Tübingen die Stiftung Weltethos gegründet, deren Präsident Küng bis 2013 war. Sein Appell «Kein Weltfriede ohne Religionsfriede» nimmt den Papst oder muslimische Repräsentanten genauso in den Blick wie den US-Präsidenten.
Mithilfe seiner herausragenden Kontakte gelang es Küng mehrfach, hochrangige Weltethos-Redner nach Tübingen einzuladen, darunter den damaligen UNO-Generalsekretär Kofi Annan, den damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, Friedensnobelpreisträger Bischof Desmond Tutu oder die Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Mary Robinson
Küngs Werke
Küng verfasste zahlreiche Bücher, die in grossen Auflagen weit über Kirchenkreise hinaus Beachtung gefunden haben und in zahlreiche Sprachen übersetzt sind. Zu den bekanntesten Werken zählen «Die Kirche» (1967), «Unfehlbar?» (1970), «Christ sein» (1974), «Existiert Gott?» (1978), «Ewiges Leben» (1982), «Projekt Weltethos» (1990) und «Credo» (1992).
Zuletzt erschienen von ihm «Was ich glaube» (2009) – sein persönlichstes Buch –, «Erlebte Menschlichkeit» (2013), der dritte Band seiner Memoiren, sowie «Sieben Päpste» (2015).
Wie wenige andere katholische Theologen war Küng, der in Rom und Paris studiert hat, früh mit der protestantischen Theologie vertraut; so gehörte er zu den besten Kennern von Karl Barth, über den er promovierte. Küngs bereits 1957 erschienenes Buch «Rechtfertigung» gilt auch heute noch als richtungweisend.
In einer Trilogie über die grossen monotheistischen Religionen veröffentlichte Küng 1991 «Das Judentum», 1994 «Das Christentum», 2003 «Der Islam». Küng gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Internationalen Zeitschrift für Theologie «Concilium».
Für seine Forschung und sein Engagement erhielt Küng zahlreiche Ehrungen und Preise, darunter 1998 den Theodor-Heuss-Preis, 2002 den Göttinger Friedenspreis und 2003 das Grosse Bundesverdienstkreuz mit Stern.