Nach dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz in Deutschland vom 10. August zeichnet sich der Trend ab, dass die Bundesländer ihre Corona-Verordnungen nach dem 3-G-Grundsatz ausrichten. Zugang zu Veranstaltungen oder vielen Innenräumen (Restaurants, Kinos etc.) sollen dann nur diejenigen erhalten, die entweder geimpft, getestet oder genesen sind. Die Stadt Hamburg hat sogar eine 2-G-Regelung beschlossen (geimpft, genesen). Zunächst war der Besuch von Gottesdiensten von diesen Regelungen nicht betroffen gewesen.
Man hat dadurch der besonderen Bedeutung des Grundrechts der Religionsfreiheit Rechnung tragen wollen. Nach Artikel 4.2 des Grundgesetzes, soll auch die „ungestörte Religionsausübung gewährleistet“ werden. Der Besuch eines Gottesdienstes sei nicht vergleichbar mit einem Discobesuch, so formulierte es einmal NRW-Ministerpräsident Armin Laschet.
Die Stadt Hamburg hat Gottesdienste jedoch in der neuesten Fassung ihrer Corona-Verordnung ausdrücklich erwähnt und es den einzelnen Kirchengemeinden überlassen, ob sie die 2-G-Regel anwenden.
Hürden für Gottesdienstbesuch niedrig halten
In diesem Zusammenhang weist das Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Religionsfreiheit e. V. und Leiter des Instituts für Religionsfreiheit an der Theologischen Hochschule Friedensau, Dr. jur. Harald Mueller, in einem Schreiben auf zwei Aspekte hin: Eine Testpflicht für Gottesdienstbesucher würde zwar eine formale Gleichbehandlung mit anderen Veranstaltungen herstellen. Jedoch sei der Gottesdienstbesuch für viele gläubige Menschen Teil der „spirituellen Grundversorgung“ und könne nicht beliebig weggelassen werden. Daher müssten die Hürden für einen Gottesdienstbesuch, soweit vertretbar, niedrig gehalten werden. „Es muss daher ausreichen, mit Hilfe von geeigneten Hygienekonzepten in kirchlichen Zusammenkünften der Gefahr von Infektionen zu begegnen, wie dies auch bisher – mit wenigen Ausnahmen – funktioniert hat“, so Mueller.
Innerkirchliche Gewissensfreiheit gewährleisten
Ferner habe die Frage von „Geimpftsein oder nicht?“ bereits zu einer merklichen Fragmentierung der Gesellschaft geführt und teilweise den Charakter eines Glaubensstreits angenommen. Dieser Bruch werde verschärft durch die jetzt von der Politik ins Auge gefassten Regeln zur Förderung der Impfkampagne, die mit Erschwernissen für Impfverweigerer verbunden seien. „Soll ich gezwungen werden, gemeinsam in den Lockdown zu gehen, nur weil sich andere nicht impfen lassen wollen?“ oder „Warum soll ich benachteiligt werden, wenn ich mich gegen eine Impfung entscheide?“ so werde jeweils unter Bezug auf die Grundrechte argumentiert. Weil sich diese widerstreitenden Auffassungen nicht auflösen lassen würden und gleichzeitig der Staat Entscheidungen über jeweils für alle geltenden Regeln treffen müsse, rät Mueller dazu, Gewissensfreiheit nicht nur vom Staat einzufordern, sondern auch im privaten und innerkirchlichen Bereich demjenigen zu gewähren, der eine andere Auffassung vertritt als man selbst. „Das fällt angesichts der hitzigen und meist ohne übereinstimmende Tatsachenwahrnehmung geführten Debatte nicht leicht, ist aber dringend notwendig, wenn wir weiter gemeinsam in die Zukunft gehen wollen“, so die Einschätzung des Experten für Religionsfreiheit.
Deutsche Vereinigung für Religionsfreiheit e. V.
Die Deutsche Vereinigung für Religionsfreiheit e. V. ist ein Zweig der Internationalen Vereinigung zur Verteidigung und Förderung der Religionsfreiheit, die 1946 von dem Arzt Dr. Jean Nussbaum in Paris gegründet wurde und heute ihren Sitz in Bern hat. Ziel der Vereinigung ist die Förderung und Wahrung der Grundsätze der Religionsfreiheit, die wissenschaftliche Erforschung der Grundrechte der Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie die Förderung der allgemeinen Toleranz durch Wahrung der Rechte des Einzelnen, seinen Glauben und seine Überzeugung öffentlich oder privat zu vertreten. Die Vereinigung unterhält ein Institut für Religionsfreiheit, das an der Theologischen Hochschule Friedensau bei Magdeburg/Deutschland angesiedelt ist.