Mit einem Studientag und einem abendlichen Festvortrag feierte das Konfessionskundliche Institut in Bensheim am 27. Oktober sein 75-jähriges Bestehen. Auf Betreiben des späteren Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Wolfgang Sucker (1905-1968), wurde am 1. November 1947 das Konfessionskundliche Institut als wissenschaftliche Arbeitsstätte des Evangelischen Bundes in Bensheim an der Bergstrasse gegründet. Heute bearbeiten sechs hauptamtliche wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie mehrere Ehrenamtliche das Themenspektrum der Ökumene und Konfessionskunde, der Konfessionen und Kirchen.
Ökumene aus konfessioneller Sichtweise
Der Studientag unter dem Motto „Seit 1947 im Gespräch mit den Konfessionen“ fand im Wolfgang-Sucker-Haus, dem Sitz des Instituts, in Bensheim statt. Bei den Vorträgen ging es um die Ökumene aus der Sichtweise verschiedener Konfessionen. Professorin Dr. Johanna Rahner, Tübingen, behandelte das Thema aus römisch-katholischer, Diplom-Theologe Georgios Vlantis, M.Th., München, aus byzantinisch-orthodoxer und Professor Dr. Markus Iff, Ewersbach, aus freikirchlicher Sicht.
Beim Festvortrag am Abend in der evangelischen Stephanusgemeinde in Bensheim sprach die Stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, über „Ökumene aus evangelischer Sicht“. Laut dem Präsidenten des Evangelischen Bundes und früheren Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in der Pfalz, Dr. h. c. Christian Schad, habe sich das Institut zu einem Zentrum der Ökumeneforschung in Deutschland entwickelt, dessen Expertise im In- und Ausland gefragt sei. In Vorträgen, Kursen und Tagungen vermittle das Institut ökumenisch-konfessionskundliche Kompetenzen.
„Den Nächsten kennen wie sich selbst“
Die Ökumenische Bewegung und vor allem die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs hätten vor 75 Jahren bei Pfarrer Wolfgang Sucker die Erkenntnis geweckt, dass die Kirchen nicht gegeneinander, sondern „um des Evangeliums und um der Welt willen“ miteinander ringen müssten, schilderte die Leiterin des Konfessionskundlichen Instituts und Referentin für Orthodoxie, Pfarrerin Dr. Dagmar Heller, die Entstehung der Einrichtung im Jahr 1947. Wolfgang Sucker habe erkannt, dass nicht nur die genaue Kenntnis des eigenen Standpunkts, sondern auch die Einstellung und Denkweise des jeweils anderen notwendig sei, um wahrnehmen zu können, wie für Christen in der einen Kirche Jesu Christi ein gelingendes Miteinander möglich sei. Daraus sei 1997 das bis heute gültige Motto der Arbeitsstätte „Den Nächsten kennen wie sich selbst“ entstanden. Träger des Konfessionskundlichen Instituts ist der Evangelische Bund unter Mitwirkung und finanzielle Unterstützung durch die EKD sowie die evangelischen Landeskirchen Hessen und Nassau, Baden, Pfalz und Württemberg.
Grusswort der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten
Zum 75-jährigen Jubiläum gratulierten in einem gemeinsamen Grusswort auch die beiden Präsidenten der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, die Pastoren Werner Dullinger (Ostfildern bei Stuttgart) und Johannes Naether (Hannover). Als das Konfessionskundliche Institut 1947 gegründet wurde, so erinnerten sie, habe es damals, abgesehen von der 1926 gegründeten Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), noch keine breit angelegte innerdeutsche Ökumene gegeben. Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) hätte noch nicht existiert. Selbst zwischen lutherischen und reformierten Kirchen schien damals eine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft nicht möglich zu sein. Römisch-katholischen Flüchtlingen und Vertriebenen, die in bisher rein evangelischen Gebieten eine neue Heimat in Deutschland fanden, wäre mit Misstrauen und Ablehnung begegnet worden. Das habe auch umgekehrt für Evangelische gegolten, die beispielsweise ins katholische Bayern gelangten. Zudem hätten die Landeskirchen die Freikirchen oft noch unter „Sekten“ eingeordnet. In dieser Situation entstand ein Institut, dessen Motto lautete: „Den Nächsten kennen wie sich selbst“. Das Motto spiegle wider, dass Vorurteile, Misstrauen und falsche Darstellungen nur durch genaue Kenntnis der jeweils anderen Konfession abgebaut und vermieden werden könnten.
„Das haben wir als Freikirche selbst erfahren“, betonten die beiden Präsidenten der deutschen Adventisten in ihrem Grusswort. 1970 entstand in Ostdeutschland die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der DDR (AGCK). „Dort erhielt 1974 unsere Freikirche einen Gaststatus.“ Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten schlossen sich 1991 auch die ACK-West und ACK-Ost zur ACK Deutschland zusammen. Während die ostdeutschen Kirchen darauf bestanden, dass alle ihre Mitglieds- und Gastkirchen in die ACK Deutschland aufgenommen werden, hätten einige Kirchen im Westen Bedenken gehabt, ob die Siebenten-Tags-Adventisten bereits als Freikirche angesehen werden könnten. „Sie hatten nicht die langjährige Erfahrung mit uns Adventisten wie die Kirchen in der DDR“, so Dullinger und Naether. Auch in diesem Fall habe das Konfessionskundliche Institut die Kirchen bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützt, „sodass unsere Freikirche 1993 als Gastmitglied in die ACK Deutschland aufgenommen wurde“.
Die zunehmende Polarisierung nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch unter Christen zeige, wie aktuell das Motto „Den Nächsten kennen wie sich selbst“ auch heute noch ist und bleibt, stellten Werner Dullinger und Johannes Naether fest.
Informationen zum Konfessionskundlichen Institut Bensheim unter https://konfessionskundliches-institut.de.