Die römisch-katholische Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) haben eine gemeinsame Erklärung mit dem Titel „Mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit“ vorgestellt. Darin stellen sie eine Perspektive für eine verstärkte ökumenische Zusammenarbeit vor.
Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) haben am 14. März in einer digitalen Pressekonferenz ihre gemeinsame Erklärung «Mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit – Zu den Chancen einer prozessorientierten Ökumene» vorgestellt. Der Text nimmt den Faden des Dokuments «Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen. Ein gemeinsames Wort zum Jahr 2017» auf. Er entstand im Kontext eines konstruktiven Austausches innerhalb des von der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland verantworteten Kontaktgesprächskreises, so die DBK und die EKD in einer gemeinsamen Presseerklärung.
Stimmen von Kirchenvertretern
„Wir erleben als Kirchen derzeit eine Umbruchphase: Kirchliches Leben ist in beiden Konfessionen geprägt vom raschen Wandel. Neben dem Verlust alter Gewissheiten und vertrauter Strukturen stehen neue Aufbrüche und veränderte Prioritätensetzungen“, wird EKD-Ratsmitglied Volker Jung zitiert. Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) fügte hinzu: „Unser Anliegen ist, dass in den anstehenden Transformationen das gelebte ökumenische Miteinander nicht unter die Räder gerät, sondern geschätzt und gestärkt wird. Das Gemeinsame Wort bekräftigt, dass wir inzwischen nicht nur im alltäglichen Umgang vor Ort oft viele gelingende und beglückende ökumenische Erfahrungen erleben. Und, dass wir mittlerweile ganz deutlich auf der Basis des biblischen Zeugnisses gemeinsame theologische Zugänge dazu finden, was Kirche ist und wofür sie in der Welt da sein soll – auch wenn manche Fragen gerade im gottesdienstlichen Miteinander schmerzhaft ungelöst bleiben.“
Bischof Dr. Gerhard Feige, Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz, sieht in dem neuen Dokument ein „klares Bekenntnis zur Ökumene. Die Ökumene lebt“, so Bischof Feige. Dabei werde die Einheit der Kirche als dynamische Grösse wahrgenommen: „Wir sind nicht am Ziel, noch nicht. Aber wir nehmen froh und dankbar wahr, dass im ökumenischen Miteinander schon viel erreicht ist. Manches davon ist so selbstverständlich, dass es uns zumeist gar nicht mehr auffällt. Da ist es gut, dass der Text unsere Aufmerksamkeit darauf lenkt und dazu antreibt, auf dem Weg zu mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit weiter voranzukommen. Wechselseitige Zusagen geben der künftigen Weggemeinschaft Verbindlichkeit.“ Die jüngste Untersuchung der Kirchenmitgliedschaft habe gezeigt, dass die beiden grossen Kirchen in Deutschland in hohem Masse Mitglieder verlieren: „Die Probleme und Herausforderungen dürfen aber nicht zur Selbstbeschränkung zu Lasten der Ökumene führen. Im Gegenteil: Sie sind ein Weckruf zu mehr Gemeinsamkeit“, betonte Bischof Feige.
„Innere Vielfalt als Ressource“
Bei der Vorstellung des Dokumentes hob Prof. Dr. Thomas Söding (Bochum) hervor: „Die Gesellschaft driftet auseinander, die Polarisierung nimmt zu: Es entstehen immer mehr ziemlich geschlossene Identitätszirkel, die sich immer schwerer tun, miteinander zu kommunizieren. Die Kirchen sind von diesem Trend nicht ausgenommen. Aber sie können – teils aus leidvoller Erfahrung, teils aus besserer Einsicht – Modelle entwickeln, die nicht nur ein friedliches Neben- und Miteinander verschiedener Konfessionen begründen, sondern auch die innere Vielfalt als Ressource entdecken, um Gottes- und Nächstenliebe zu verbinden: katechetisch, liturgisch, diakonisch – auch politisch.“ Diese Chance nutze das neue Dokument. „Es scheut sich nicht, von Einheit zu sprechen, auch von sichtbarer – fügen wir hinzu: von hörbarer, fühlbarer, wirksamer – Einheit; aber wir sehen in der internen und externen Vielfalt der Kirchen kein Problem, das es zu lösen, sondern ein Pfund, mit dem es zu wuchern gilt“, so Prof. Söding. Die Kirchen formulieren in dem neuen Dokument gemeinsam: „Die Einheit soll sichtbarer und die Versöhnung erfahrbarer werden. Dieser Komparativ ist programmatisch. Er verweist auf das Konstruktionsprinzip des gesamten Papieres: Ziel und Weg gehören zusammen.“
Prof. Dr. Miriam Rose (Jena) beschreibt den Text als „eine andere, eine neue, eine zukunftsorientierte Perspektive sowohl auf das gegenwärtig Erreichte, auf aktuelle Infragestellungen und auf künftige Schritte, wie auch immer sie aussehen mögen. So ist es einerseits besonders praxisorientiert und konkret, andererseits auch besonders prinzipiell, weil es die dynamische Praxis in der Ökumene theologisch aufwertet und neu bewertet.“ Das Dokument ermutige zu einem gelassen-hoffnungsvollen Blick auf die ökumenischen Beziehungen, „der sich mit den Irritationen auseinandersetzt und mit kreativen Neuaufbrüchen rechnet an unvermuteter anderer Stelle, der sich und die anderen nicht überfordert, der aber zutiefst interessiert und betroffen solidarisch bleibt mit der jeweils anderen Kirche“.
Hinweise
Das Dokument Mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit – Zu den Chancen einer prozessorientierten Ökumene ist als PDF-Datei zum Herunterladen unter www.dbk.de in der Rubrik Publikationen verfügbar. Dort kann das Dokument auch als Broschüre (Gemeinsame Texte Nr. 30) bestellt werden.
Die Statements von Kirchenpräsident Dr. Dr. Volker Jung, Bischof Dr. Gerhard Feige, Prof. Dr. Thomas Söding und Prof. Dr. Miriam Rose sind ebenfalls unter unter www.dbk.de zu finden.