Seit über 40 Jahren kritisiert das Bundesgericht die steuerliche Benachteiligung verheirateter Paare als verfassungswidrig. Der Dachverband Freikirchen.ch spricht sich aus acht Gründen gegen die Einführung der Individualbesteuerung aus.
Mit der Vorlage werden laut dem Dachverband Familien diskriminiert, bei denen ein Elternteil auf Erwerbsarbeit für die Erziehung der Kinder verzichtet. Der Dachverband Freikirchen.ch setzt sich dafür ein, dass kein Familienmodell benachteiligt wird. Er lehnt sowohl die Volksinitiative als auch den indirekten Gegenvorschlag entschieden ab.
«Wir setzen uns stattdessen für eine Reform der Ehepaarbesteuerung ein. Diese beseitigt die bestehenden Ungerechtigkeiten für verheiratete Paare, ohne die solidarischen Strukturen der Familie zu schwächen. Die Familie als Kern der Gesellschaft und die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft sollen in der Steuergesetzgebung weiterhin eine zentrale Rolle spielen», erklärt Peter Schneeberger, Präsident des Dachverband Freikirchen.ch.
Nachstehend acht Gründe im Wortlaut des Dachverbands aufgrund deren er das Referendum unterstützt:
«1. Nachteile für Familien mit einem Einkommen
Ein zentrales Argument gegen die Individualbesteuerung ist die Benachteiligung der Familien mit nur einem Einkommen. Gemäss Bundesamt für Statistik verzichtet bei über einem Drittel (37,1 Prozent) der Familien ein Elternteil ganz oder teilweise auf eine Erwerbstätigkeit, um sich um die Kinder zu kümmern. Für den Dachverband Freikirchen.ch verdienen diese Familien Respekt und sollten nicht zusätzlich durch höhere Steuern bestraft werden. Weil sie auf Betreuungsangebote verzichten, entlasten sie auch die öffentlichen Finanzen. Es darf nicht passieren, dass die steuerliche Benachteiligung verheirateter Paare gegenüber unverheirateten – die sogenannte «Heiratsstrafe» – durch ein neues Steuersystem beseitigt wird, das aber neue Ungerechtigkeiten mit sich bringt.
2. Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft
Das Steuerrecht sowie andere Rechtsgebiete wie die Sozialversicherungen und das Eigentumsrecht basieren darauf, dass Ehepaare eine wirtschaftliche Einheit bilden. Diese Werte sind tief in der schweizerischen Rechtsordnung und Gesellschaft verankert. Ehepaare übernehmen gegenseitig Verantwortung füreinander, sowohl finanziell als auch rechtlich. Für den Dachverband Freikirchen.ch sollte dieser Wert nicht durch die Einführung eines Zivilstands neutralen Besteuerungssystems aufgegeben werden. Eine Individualbesteuerung würde das fundamentale Prinzip der ehelichen Wirtschaftsgemeinschaft untergraben und die Solidarität zwischen Ehepartnern schwächen.
3. Steuerliche Anreize zur Optimierung und Umgehung
Mit der Individualbesteuerung besteht ein erhöhtes Potenzial für Steueroptimierungen. Ehepaare als Gütergemeinschaft müssten ihre Einkommens- und Vermögenswerte neu aufteilen. Das könnte dazu führen, dass steuerliche Abzüge weniger wirksam werden oder ins Leere laufen. Die Individualbesteuerung erhöht auch die Versuchung, um Abzüge und steuerliche Vorteile gezielt einem Partner mit höherem Einkommen zuzuweisen. Der Bundesrat erkennt dieses Problem und schlägt die Erhöhung des Kinderabzugs vor, um die Auswirkungen auf Familien abzumildern.
4. Finanzielle Einbussen für den Staat
Die Individualbesteuerung würde den Staatshaushalt erheblich belasten. Der Bund rechnet mit jährlichen Steuerausfällen von etwa CHF 600 Millionen Franken. Auch Kantone und Gemeinden wären betroffen, obwohl viele bereits Massnahmen gegen die verfassungswidrige Diskriminierung von Ehepaaren ergriffen haben. Angesichts dieser finanziellen Verluste könnte das bei Kantonen und Gemeinden zu Erhöhungen anderer Steuern führen, um die Einbussen zu kompensieren.
5. Geringe Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
Ein weiteres zentrales Argument ist der geringe Beschäftigungseffekt, den die Individualbesteuerung erwartet. Verglichen mit den fast 4,3 Millionen Vollzeitstellen in der Schweizer Volkswirtschaft würde die Reform insgesamt laut Bundesrat lediglich zwischen 10.000 bis 47.000 Vollzeitstellen schaffen. Der Dachverband Freikirchen.ch bezweifelt, dass eine Reduktion der Steuerbelastung allein ausreichend wäre, um einen nennenswerten Anstieg der Arbeitsmarktteilnahme zu bewirken.
6. Erhöhter Verwaltungsaufwand
Die Individualbesteuerung würde auch zu einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand führen. Allein durch die Einführung des neuen Systems müssten über 1,7 Millionen neue Steuerdossiers erstellt werden. Kantone und Gemeinden müssten ihre Gesetze anpassen, was erhebliche Kosten verursachen würde. Steuerzahlende wären gezwungen, zwei separate Steuererklärungen einzureichen, was ebenfalls einen höheren administrativen Aufwand bedeutet.
7. Alternative Lösung: Fairness-Initiative der Mitte
Der Dachverband Freikirchen.ch plädiert dafür, die Ehepaarbesteuerung zu reformieren, ohne die Individualbesteuerung einzuführen. Sie unterstützen die Fairness-Initiative der Mitte, die die Diskriminierung von Ehepaaren bei der Besteuerung beenden will. Diese Initiative zielt darauf ab, durch die Einführung eines alternativen Steuermodells die bestehende Benachteiligung von Ehepaaren gegenüber Konkubinatspaaren zu beseitigen. Dies könnte durch Splittingmodelle geschehen, ohne dass das gesamte Steuersystem umgebaut werden muss.
8. Schutz der familiären Gemeinschaft
Die Freikirchen verteidigen den Schutz der Familie als Gemeinschaft. Ehepartner übernehmen eine langfristige Verantwortung füreinander, sowohl rechtlich als auch finanziell. Diese Verantwortung sollte nicht durch eine Individualbesteuerung untergraben werden. Sie ist eine Bedrohung für das traditionelle Familienmodell, das auf gegenseitiger Unterstützung und Solidarität beruht. Eine Familie zu gründen bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen. Dieser Wert sollte im Steuersystem respektiert und gefördert werden.»
Dachverband Freikirchen.ch
Freikirchen.ch ist der Dachverband der Freikirchen und christlicher Gemeinschaften in der Schweiz. Er ist ein nationaler Kirchenverband mit 20 freikirchlichen Bewegungen aus der Deutschschweiz, zu denen über 750 örtliche Kirchen mit ihren diakonischen Werken gehören. Zusammen mit dem Réseau évangélique suisse (RES) vertreten die Freikirchen in der Schweiz rund 1000 Kirchen. Neben der Schweizer Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche Schweiz versteht sich der Dachverband Freikirchen.ch als dritte Kraft der christlichen Kirchen in der Schweiz und als Sprachrohr für die gemeinsamen Anliegen der Freikirchen. Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in der Deutschschweiz ist seit 2025 Mitglied im Dachverband der Freikirchen.