Die bis zum 2. Juli im norwegischen Trondheim tagende 12. Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) beschäftigt sich auch mit praktischen Fragen der Umsetzung der sogenannten "Charta Oecumenica" auf regionaler und lokaler Ebene. Sie war im April 2001 vom Präsidenten des "Rates der (römisch-katholischen) Europäischen Bischofskonferenzen" (CCEE), Kardinal Miloslav Vlk, und von Metropolit Jérémie, dem Vorsitzenden der "Konferenz Europäischer Kirchen" (KEK), in Strassburg unterzeichnet worden. Die Charta enthält Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa, die allen europäischen Kirchen zur Annahme und Umsetzung empfohlen werden. Sie hat jedoch keinen lehramtlich-dogmatischen oder kirchenrechtlich-gesetzlichen Charakter. Zur Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) gehören 126 orthodoxe, reformatorische, anglikanische, freikirchliche und alt-katholische Kirchen in Europa. Im Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) sind die 34 römisch-katholischen Bischofskonferenzen in Europa zusammengeschlossen.
Der Generalsekretär der katholischen europäischen Bischofskonferenzen, Don Aldo Giordano (Schweiz), fasste in Trondheim wesentliche Punkte der Charta wie folgt zusammen: Jedes Land übernimmt ausdrücklich die Verantwortung für die Entwicklungen in allen Ländern Europas und jede Kirche für die ökumenische Zusammenarbeit mit allen Kirchen, auch ausserhalb des eigenen Landes. Schliesslich verpflichten sich die Kirchen zu einer gemeinsamen Agenda, deren Themen sie bearbeiten.
Die evangelische Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter sagte, "die Charta ist kein Papier mit völlig neuen Erkenntnissen, sondern ein Wegweiser für Menschen, die bereits ökumenisch unterwegs sind und einen Weg in die Zukunft suchen". Es gehe jetzt darum, die in den vergangenen Jahren gewachsene Übereinstimmung "so festzuhalten, dass alle sich darauf berufen können."
Im Plenum der 12. KEK-Vollversammlung berichteten mehrere Delegierte über ihre Erfahrungen mit der Charta Oecumenica vor Ort. Dabei ging es immer wieder um die Frage: Was können Christinnen und Christen zu Hause tun, um die in den Leitlinien der Charta enthaltenen kirchlichen "Selbstverpflichtungen" umzusetzen?
In Trondheim wurden dazu vier praktische Empfehlungen formuliert. Sie sollen an die Mitglieder der Vollversammlung weitergegeben werden: 1. Gründung lokaler Arbeitsgemeinschaften christlicher Kirchen (ökumenische Arbeitskreise). Oft wurden sie durch die Initiativen ökumenisch engagierter Christen gegründet, um die offizielle Zusammenarbeit der Kirchen weiterzuentwickeln. Für die Festigung und Fortentwicklung der multilateralen Ökumene kommt der praktizierten Zusammenarbeit auf der Gemeindeebene eine zentrale Rolle zu; 2. Veranstaltungen mit gemeinsamer Bibellesung und gemeinsamem Gebet; 3. Einsatz für gemeinsame soziale Projekte und 4. Durchführung gemeinsamer "ökumenischer" Feiern. Dabei soll der Pfingstmontag jährlich als "Tag der Kircheneinheit" gefeiert werden.
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Kästchen:
Die ökumenische Vision der Einheit
Die Charta Oecumenica behandelt in ihren drei Teilen die ökumenische Sicht der Kirche, ihrer Einheit sowie der Verantwortung der Kirchen in Europa. Im ersten, recht kurz gehaltenen Teil (#1) kommt der gemeinsame Wille zum Ausdruck, die noch bestehenden lehrmässigen Differenzen – "wesentliche Unterschiede im Glauben" gibt es vor allem in ekklesiologischen Fragen - zu überwinden und auf "die sichtbare Einheit der Kirche Jesu Christi" hinzuwirken. Voraussetzung und Zeichen dafür ist die gegenseitige Anerkennung der Taufe und die Abendmahlsgemeinschaft.
Im zweiten Teil werden Wege aufgezeigt, die zur sichtbaren Gemeinschaft und Einheit der Kirchen in Europa führen sollen. Dazu gehören vor allem die gemeinsame Verkündigung des Evangeliums (#2), die Versöhnung der verschiedenen christlichen Traditionen (#3), das gemeinsame Handeln auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens (#4), die geistliche Gemeinschaft in Gottesdienst und Gebet (#5) sowie die anhaltenden Bemühungen um einen Konsens im Glauben (#6). Denn "ohne Einheit im Glauben gibt es keine volle Kirchengemeinschaft".
Im dritten und längsten Teil der Erklärung geht es schliesslich um die gemeinsame Verantwortung der Kirchen in Europa. Sie kommt in dem Bemühen zum Ausdruck, die Zukunft Europas mitzugestalten (#7), die Völker und Kulturen dieses Kontinents zu versöhnen (#8), die Schöpfung/Natur zu bewahren (#9), die einzigartige Gemeinschaft mit dem Judentum zu vertiefen (#10), gute Beziehungen zum Islam zu pflegen (#11) sowie anderen Religionen und Weltanschauungen angemessen und fair zu begegnen (#12).
Die Charta Oecumenica gipfelt in dem Satz: "Jesus Christus ist als der Herr der einen Kirche unsere grösste Hoffnung auf Versöhnung und Frieden. In seinem Namen wollen wir den gemeinsamen Weg in Europa weitergehen."
Der volle Wortlaut dieser "Leitlinien" ist abrufbar im Internet unter:
http://www.cec-kek.org/Deutsch/ChartafinG.htm