Die Erzbischöfe der anglikanischen Weltgemeinschaft möchten eine definitive Spaltung vermeiden. Im Hinblick darauf forderten sie bei der Krisensitzung im nordirischen Newry ihre Amtsbrüder aus den USA und Kanada auf, den Treffen ihres ständigen Rates (ACC) bis zur nächsten Lambeth-Konferenz (der Vollversammlung der "Anglican Communion") im Jahr 2008 fernzubleiben. Der befristete Ausschluss soll nach Einschätzung von Beobachtern eine endgültige Spaltung vermeiden helfen. Anlass der Krise ist die Frage der Bewertung der Homosexualität; die Frage wurde akut durch die Bischofsweihe eines Homosexuellen in den USA sowie die Verabschiedung eines Segensformulars für gleichgeschlechtliche Paare in Kanada. Daher sollen die US-amerikanischen und kanadischen Anglikaner zur ACC-Sitzung im Juni 2006 in Nottingham "Vertreter" entsenden, um die Motivation der beiden Kirchenprovinzen in der Frage der Homosexualität zu erläutern. In Newry wurde zudem ein sofortiger Stopp aller Weihen oder Riten verlangt, die dem Konsens der "Anglican Communion" widersprechen.
Viele nationale anglikanische Kirchen, vor allem in Afrika und Asien, halten die Bischofsweihe des "bekennenden Homosexuellen" Gene Robinson in den USA für ungültig; manche erklärten bereits im Vorfeld der Krisensitzung in Newry, sie stünden nicht mehr in Gemeinschaft mit der Episkopalkirche in den USA. Etwa die Hälfte der 37 vertretenen Erzbischöfe verlangte ultimativ eine Entschuldigung und gegebenenfalls einen Ausschluss der amerikanischen Episkopalkirche aus der "Anglican Communion". Experten sprechen von der schärfsten Krise der Anglikaner seit der Reformation.
Das Ehrenoberhaupt der "Anglican Communion", Erzbischof Rowan Williams von Canterbury, hatte vor dem Treffen in Newry gewarnt, es werde "keinen kostenlosen Ausweg aus dieser Sache geben". Für das Problem alternativer Seelsorge für "konservative" Anglikaner in den USA, die dem Kurs ihrer Kirchenführung nicht mehr folgen wollen, kündigte der Primas die Einrichtung eines Kontrollgremiums an. Die Erzbischöfe verpflichteten sich, dass niemand die Bildung einer "Kirche innerhalb der Kirche" anstossen oder fördern solle.
Die Anglikanische Kirche (v. lat.: anglicanus = englisch), offiziell Episcopal Church of England, in England selbst meist einfach Church of England genannt, entstand unter Heinrich VIII. in England. Sie vereinigt in ihrer Tradition evangelische und römisch-katholische Glaubenselemente, wobei die römisch-katholische Tradition im Ritual etwas dominanter ist, aber die evangelische in der Theologie. Ihr Gottesdienst folgt den Formen der Church of England, wie sie vor allem im "Book of Common Prayer" niedergelegt sind.
Zur Anglikanischen Weltgemeinschaft zählen 38 selbständige Landeskirchen, beziehungsweise Provinzen. Weltweit gibt es etwa 75 Millionen anglikanische Christen, davon etwa 42 Millionen in Grossbritannien.