Keine christliche Religionsgemeinschaft, mit Ausnahme der Zeugen Jehovas, sei zu Beginn des Dritten Reiches derart massiv bedroht worden, wie die Siebenten-Tags-Adventisten, stellte der Leiter des Historischen Archivs der Freikirche, Dr. Daniel Heinz (Friedensau bei Mageburg), in seinem Artikel "Adventisten und Nationalsozialismus" in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift "Adventecho" fest. 1932 schrieb der adventistische Pastor Max Busch in der Zeitschrift "Kirche und Staat": "Nicht die Zugehörigkeit zur Rasse, sondern die Erneuerung durch Christus macht aus uns Menschen." Die Kritik an der Rassenideologie des Nationalsozialismus habe laut Heinz die NS-Behörden derart empört, dass die Freikirche 1933 das Erscheinen der Zeitschrift einstellen musste. Am 26. November 1933 verbot die Gestapo in Preussen, Hessen und in anderen Gebieten des Reiches die Glaubensgemeinschaft. Zwar sei das Verbot nach zehn Tagen wieder aufgehoben worden, doch hätte die Angst vor weiteren Repressionen die adventistische Kirchenleitung "gefügig" gemacht. Deren damaliger Leiter der deutschen Adventisten, Pastor Adolf Minck, schrieb rückblickend: "Das Damoklesschwert des Verbots schwebte über uns in all diesen Jahren". Tatsächlich kam es auch später zu weiteren regionalen Versammlungsverboten, vor allem in den Rand- und Grenzgebieten des Reiches. Die genauen Gründe, die zum Verbot von 1933 führten, seien jedoch, so Heinz, bis heute ungeklärt.
Nach Aufhebung des Verbotes richtete die adventistische Kirchenleitung im Dezember 1933 eine "Denkschrift" an das Reichsministerium des Innern und an die Gestapo, um der "Wiederholung eines solchen Verbotes vorzubeugen". "Die Gemeindeführer wollten fortan nicht durch nonkonformes Verhalten die Existenz der Gemeindeorganisation gefährden und waren nun bereit, aus Vorsicht und Angst, kaum aus Überzeugung, sich in einer Art 'Überlebensstrategie' dem Staat und seiner Ideologie anzupassen", schreibt Heinz. Die rege Wohlfahrtsarbeit hätte zur bürgerlichen Pflicht gehört und habe als Beweis für patriotische Zuverlässigkeit gegolten. Offizielle Publikationen der Freikirche seien genutzt worden, um staatsbürgerliches Wohlverhalten zu demonstrieren. "So finden sich ab 1934 in adventistischen Zeitschriften auch Aussagen, die sehr deutlich nazistisches und antisemitisches Gedankengut reflektieren." Die tatsächliche Haltung der Mitglieder, welche die Mehrheit des "Kirchenvolkes" bildeten, hätte in den Publikationen keinen Niederschlag gefunden. Heinz geht aufgrund der Befragung von Zeitzeugen davon aus, dass die Mehrzahl der Adventisten im Dritten Reich, "zu keinem Zeitpunkt die nationalsozialistische Gewaltherrschaft mitgetragen hat".
Richtig sei aber auch, dass viele Adventisten nicht den Mut gefunden hätten, gegen den Strom zu schwimmen und sich öffentlich über den gott- und menschenverachtenden Ungeist der Diktatur zu empören. Zu schnell sei man der Versuchung der Anpassung, des Wegschauens und des Schweigens erlegen. Nur wenige Adventisten hätten den Mut zur Opposition gehabt. Doch es habe sie gegeben: "Judenhelfer und Judenretter, solche, die das antichristliche System durchschauten und nicht schwiegen, den Hitlergruss ablehnten, die Arbeit am Sabbat unter Lebensbedrohung niederlegten oder sogar den Waffendienst verweigerten." Ihr persönlicher Weg in den Widerstand sei einsam gewesen, denn sie hätten nicht mit dem Rückhalt ihrer Kirchenleitung rechnen können. "Standhaft blieben sie ihrer Glaubensüberzeugung treu, ohne an einem politischen Umsturz mitzuwirken. Einige von ihnen starben als Märtyrer." Bislang habe die Freikirche das geistliche Erbe ihrer Blutzeugen im Gegensatz zu anderen Kirchen noch nicht gewürdigt, bemängelt Heinz. Sehr oft seien nicht einmal ihre Namen bekannt. "Sie sind bis heute 'Fremde' in der eigenen Kirche geblieben, die in der politischen Anpassung ihre einzige Überlebenschance sah."
Wenn heute die junge Generation ihre Väter und Grossväter, ihre Mütter und Grossmütter anklagten, warum sie sich damals so an das herrschende System angepasst hätten, vergässe sie dabei, wie leicht es sei, im Rückblick und aus einer gesicherten Position heraus diese Frage zu stellen, gab Heinz zu bedenken. Die Anpassung an den "Geist der Epoche" - damals durch Zwang, Gewalt und offene Konfrontation, heute aus Trägheit, pluralistischer Vorliebe und verdeckte Infiltration - stelle weiterhin eine grosse Herausforderung für die christliche Gemeinde dar. Deshalb gelte es, aus der Geschichte zu lernen.