Der Rat der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) begrüsst den neuen EU-Reformvertrag, den die Staats- und Regierungschefs am 13. Dezember in Lissabon unterzeichnen wollen. Die GEKE wertet den neuen EU-Vertrag als einen weiteren Schritt im europäischen Einigungsprozess. "Wir sehen, dass der neue Vertrag den Menschen in Europa mehr Möglichkeiten zur politischen Mitwirkung gibt. Das ist ein Schritt vorwärts", erklärte der Präsident der GEKE, der reformierte Schweizer Pfarrer Thomas Wipf. "Hierzu gehört die Bereitschaft der EU zu einem ‚offenen, transparenten und regelmässigen Dialog’ mit den Kirchen und religiösen Gemeinschaften, wie er im neuen Vertrag festgeschrieben wird."
Gleichzeitig mahnt das Präsidium der Dachorganisation der evangelischen Kirchen Europas die Europäische Union zu mehr Engagement in der Friedenssicherung.
Die evangelischen Kirchen in Europa hätten sich in der Debatte um eine EU-Verfassung wiederholt für die Weiterentwicklung der EU zu einer Wertegemeinschaft eingesetzt. Die GEKE begrüsse daher ausdrücklich, dass die Charta der Grundrechte dieselbe Rechtsverbindlichkeit erhält wie die Verträge und hofft, dass dem in Zukunft auch Grossbritannien und Polen dem zustimmen werden. In beiden Ländern soll die Grundrechtecharta aufgrund eines Zusatzprotokolls nur in beschränktem Masse gelten.
Die Charta der Grundrechte der EU wird bereits am 12. Dezember, also einen Tag vor der Unterzeichnung durch die Staats- und Regierungschefs, vom Parlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering, dem Präsidenten der Europäischen Kommission José Manuel Barroso und dem Ratsvorsitzenden José Socrates in einer feierlichen Zeremonie proklamiert werden.
Für die evangelischen Kirchen sei die europäische Einigung nach dem zweiten Weltkrieg ein überaus erfolgreicher Beitrag zur Friedenssicherung. "Dieser Prozess muss weiter gehen. Europa darf sich nicht auf seinen Erfolgen ausruhen. Hier hätten wir uns vom neuen EU-Vertrag ein deutlicheres Bekenntnis zu gewaltfreien Methoden der Konfliktbearbeitung gewünscht", so Wipf.
Aus evangelischer Sicht stelle der neue Vertrag trotz mancher Kritikpunkte eine verbesserte Grundlage für das Zusammenleben der Menschen und Staaten in Europa dar. Die Kirchen hofften deshalb auf eine erfolgreiche Ratifizierung des Vertrags in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. "Wir wünschen uns, dass während der Ratifizierung tatsächlich die Zukunft Europas im Mittelpunkt steht und nicht nur nationale Fragen", erklärte Wipf in einer Medienerklärung. Die GEKE ermutige ihre 105 Mitgliedskirchen, sich an der Debatte über die Zukunft Europas aktiv zu beteiligen.
Der Reformvertrag von Lissabon, ursprünglich auch EU-Grundlagenvertrag genannt, soll der Europäischen Union eine einheitliche Struktur und Rechtspersönlichkeit geben und den abgelehnten Vertrag über eine Verfassung für Europa (VVE) ersetzen. Beim EU-Gipfel in Lissabon am 18. und 19. Oktober 2007 einigten sich die Staats- und Regierungschefs auf den endgültigen Vertragstext. Bis Mitte 2009 soll der Reformvertrag durch alle Mitgliedstaaten ratifiziert sein.