Der deutsche Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck (Köln), hat im Januar zusammen mit weiteren Abgeordneten seiner Fraktion an die Bundesregierung eine "Kleine Anfrage" wegen "antihomosexueller Seminare und pseudowissenschaftlicher Therapieangebote religiöser Fundamentalisten" gerichtet. In diesem Zusammenhang wollten die Parlamentarier auch wissen, welche Erkenntnisse die deutsche Regierung über die Durchführung oder Empfehlung von antihomosexuellen Veränderungsmassnahmen durch bestimmte Organisationen, unter anderem vom Advent-Wohlfahrtswerk (AWW), habe und wie sie zu beurteilen seien. Ausserdem wollten die Abgeordneten in Erfahrung bringen, welche materiellen Unterstützungen diese Einrichtungen von staatlicher Seite erhielten.
In der Antwort des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stellt der Parlamentarische Staatssekretär, Dr. Hermann Kues, am 11. Februar klar, dass es sich beim AWW um eine seriöse Organisation handele. Wörtlich heisst es: "Das 'Advent-Wohlfahrtswerk ist das Sozialwerk der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten, einer evangelischen Freikirche, die in Deutschland ebenso wie weltweit tätig ist. Sie hat in Deutschland den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 WRV) und ist Gastmitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und der Vereinigung Evangelischer Freikirchen." Ausserdem bestätigte der Staatssekretär, dass das Suchtberatungszentrum Chemnitz des AWW seit Januar 2008 im Rahmen des Bundesmodellprojekts "Frühe Intervention bei pathologischem Glücksspiel" anteilig mit Bundesmitteln gefördert werde.
Der Bundesgeschäftsführer des Advent-Wohlfahrtswerkes e.V., Rainer Winkelhoch (Hannover), teilte dem Adventistischen Pressedienst (APD) mit, dass das AWW in den letzten Jahren zum Thema Homosexualität keine Veranstaltungen und Seminare durchgeführt oder Veröffentlichungen herausgegeben habe. Er wies darauf hin, dass das Wohlfahrtswerk laut Satzung (§ 2 Abs. 3) sich um hilfsbedürftige Menschen "ohne Unterschied von Konfession, Rasse und Weltanschauung" kümmere. Deshalb sei das AWW in seiner gesamten Arbeit auch nicht als "manipulativ und extremistisch" einzustufen. "Antihomosexuelle Seminare und pseudowissenschaftliche Therapieangebote" gebe es nicht.
Im Gegensatz dazu habe laut Winkelhoch die Abteilung Behindertenhilfe des AWW während einer Fachtagung im Jahr 2006 Ergebnisse zum Thema "Behinderung und Sexualität" erarbeitet, die einem religiösen Fundamentalismus entgegenstünden. Das Advent-Wohlfahrtswerk könne aufgrund seiner Geschichte, Satzung, Arbeitsauffassung und Einbindung in den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) nicht als religiös fundamentalistisch oder manipulativ extremistisch eingestuft werden.
Dr. Andreas Bochmann, Dozent für Ehe- und Lebensberatung im Fachbereich Christliches Sozialwesen der Theologischen Hochschule der Siebenten-Tags-Adventisten in Friedensau bei Magdeburg, bezeichnete die "Kleine Anfrage" der Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen "als fragwürdig, diffamierend, unredlich und einer etablierten, sich für Frieden, Toleranz und Pluralismus einsetzenden Partei unwürdig". Ohne Quellen oder auch nur Anhaltspunkte zu dokumentieren, würden Mutmassungen und Fragen formuliert, die geeignet seien, den Ruf und den rechtlichen Status von christlichen Werken nachhaltig zu schädigen. Der Schwerpunkt der Arbeit des Advent-Wohlfahrtswerkes liege nicht bei der Beratung Homosexueller, sondern in Altenheimen, Kindergärten und anderen Sozialeinrichtungen sowie in der Suchtkrankenhilfe. Zum Thema Homosexualität gebe es keine Verlautbarung des AWW, die zu den Mutmassungen in der "Kleinen Anfrage" hätten Anlass geben können.
Das 1897 entstandene Advent-Wohlfahrtswerk (AWW) betreut in Deutschland rund 40.000 bedürftige Menschen pro Jahr. Zu ihm gehören fünf Altenpflegeheime, zwei Einrichtungen "Betreutes Wohnen", ein Seniorenwohnhaus, ein Behindertenwohnheim, vier Kindergärten, eine Fachklinik für Abhängigkeitskranke, ein Wohnheim für Suchtkranke, vier Suchtberatungsstellen, neun Suppenküchen, eine Kleiderkammer, zwei Lager für Spendengüter, ein Übernachtungshaus für wohnungslose Frauen, ein Integrationsnetz für Aussiedler, ein Helferkreis für Flüchtlinge und elf psychosoziale Beratungsstellen.