Am 19. März (Mittwoch) feiert der in Sursee (Schweiz) geborene Tübinger Theologe Hans Küng seinen 80. Geburtstag. Er gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Theologen der Gegenwart. Von 1948 bis 1957 studierte Küng Philosophie und Theologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und an der Sorbonne zu Paris. Im Jahre 1979 hatte ihm der Heilige Stuhl die kirchliche Lehrerlaubnis (Missio canonica) entzogen. Bis zu seiner Emeritierung 1996 blieb er als Direktor des Instituts für Ökumenische Forschung weiterhin Professor an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und ist weiterhin römisch-katholischer Priester.
In den vergangenen 20 Jahren engagierte sich der Theologe im Dialog der Weltreligionen und für sein religionsübergreifendes "Projekt Weltethos"; er ist Präsident der gleichnamigen Stiftung. Für Hans Küng ist zur Erhaltung des Weltfriedens ein Religionsfrieden Voraussetzung. Deshalb hat er herausgearbeitet, dass die verschiedenen Weltreligionen in den zentralen Grundfragen – wie etwa bei den zehn Geboten - tatsächlich eine ähnliche Ethik haben. Der Theologe billigt dabei dem Christentum einen relativen Vorrang vor anderen Weltanschauungen zu.
Der Tübinger Theologe spricht von selbstverständlichen ethischen Standards und verweist auf die goldene Regel "Was du nicht willst, dass man dir tu', das füg' auch keinem andern zu". Diese ethische Ausrichtung will die Stiftung vermitteln. Küng bewirbt sie als Dialogpartner bei Staatsmännern und Religionsführern. Es gehe ihm um die gemeinsamen ethischen Werte, Haltungen und Normen, so der Theologe. Sein Appell "Kein Weltfriede ohne Religionsfriede" nimmt den Papst oder muslimische Repräsentanten genauso in den Blick wie den US-Präsidenten.
Als Papst Benedikt XVI. den ihm seit mehr als 50 Jahren bekannten Küng im September 2005 zu einem vierstündigen Gespräch in Castel Gandolfo empfing, sorgte das für weltweites Aufsehen. Küng und Ratzinger hatten beim Zweiten Vaticanum zu den jüngsten Konzilsberatern gezählt. Bei der Begegnung ging es um das Projekt Weltethos und um das Verhältnis zwischen Naturwissenschaften, Vernunft und Glaube, nicht um eigentliche Lehrfragen. Seitdem gab es einen Briefwechsel zwischen Papst und Küng anlässlich des Erscheinens des zweiten Teils der Autobiografie des Theologen im Vorjahr, "Umstrittene Wahrheit", der die Jahre 1968 bis 1980 behandelt.
Darin spricht Küng mit Blick auf sich und den heutigen Papst von "zwei verschiedenen Wegen des Katholischseins". Im Buch finden sich immer wieder Bezüge auf Joseph Ratzinger und, vorausgreifend, auf Benedikt XVI. Heftige, fast persönliche Kritik steht da neben überraschend offener, anerkennender Dankbarkeit. "Lieber Herr Küng", beginnt der Brief vom Herbst 2007, mit dem sich Benedikt XVI. für die Übersendung des Bandes bedankte. Der Theologe sei, so der Papst, seinen Weg seinem Gewissen gemäss gegangen, "davor habe ich Respekt". Auch er, Ratzinger, sei den Weg des Gewissens gegangen.
In der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65), hatte sich ein Konflikt Küngs mit den Bischöfen entwickelt, in dessen Mittelpunkt die Unfehlbarkeit des Papstes und Grundfragen der Christologie standen. Hans Küng war der erste bekannte Theologe römisch-katholischer Herkunft seit dem Schisma der alt-katholischen Kirche von 1870, der die Unfehlbarkeit des Papstes öffentlich und grundsätzlich in Frage stellte. Die Auseinandersetzung eskalierte nach langem Streit 1979, als die vatikanische Glaubenskongregation Küng die kirchliche Lehrerlaubnis entzog.
Den Lehrmeinungen der römisch-katholischen Kirche steht Küng kritisch gegenüber und hinterfragt die Legitimation der in der römisch-katholischen Kirche als gottgegeben geltenden Lehrmeinungen. Dabei stellt er vor allem folgende Lehrmeinungen in Frage: Unfehlbarkeit des Papstes, Unsittlichkeit der künstlichen Empfängnisverhütung, strikte Unerlaubtheit der Abtreibung, Unmöglichkeit der Frauenordination, Ungültigkeit der anglikanischen Weihen und Festhalten an der Zölibatsverpflichtung für Kleriker. Trotzdem betont Küng immer wieder, er sehe sich als "loyalen katholischen Theologen".
Küng verfasste zahlreiche Bücher, die in grossen Auflagen weit über Kirchenkreise hinaus Beachtung gefunden haben und in zahlreiche Sprachen übersetzt sind. Zu den bekanntesten Werken zählen "Die Kirche" (1967), "Unfehlbar?" (1970), "Christ sein" (1974), "Existiert Gott?" (1978), "Ewiges Leben" (1982), "Projekt Weltethos" (1990) und "Credo" (1992). Allein im Münchner "Piper"-Verlag liegt seine deutsche Auflage derzeit bei 1,8 Millionen. Wie wenige andere katholische Theologen war Küng, der in Rom und Paris studiert hat, früh mit der protestantischen Theologie vertraut; so gehört er zu den besten Kennern von Karl Barth, über den er promovierte. Küngs bereits 1957 erschienenes Buch "Rechtfertigung" gilt auch heute noch als richtungweisend.
In einer Trilogie über die grossen monotheistischen Religionen veröffentlichte Küng 1991 "Das Judentum", 1994 "Das Christentum", 2003 "Der Islam". 1997 erschien "Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft". 2002 kam unter dem Titel "Erkämpfte Freiheit" der erste Teil von Küngs Autobiographie heraus. Küng gehört zu den Gründungsmitgliedern der Internationalen Zeitschrift für Theologie "Concilium".