Ein Missionar der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, der von Deutschland ins Ausland entsandt wird, hat Anspruch auf Kindergeld, entschied das Sozialgericht Nürnberg.
Aus der Ehe des Klägers, der seit vielen Jahren als Pastor für die Freikirche tätig ist, sind zwei Kinder hervorgegangen, für die er in Deutschland auch Kindergeld erhielt. 2006 wurde er mit seiner Familie als Missionar nach Albanien versetzt. Daraufhin stellte die Familienkasse ihre Zahlungen ein und verlangte vom Kläger eine Überzahlung von 616 Euro zurück. Begründung: Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) könnten nur dann ins Ausland entsandte Missionare Kindergeld erhalten, wenn deren Missionswerke Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen, des Deutschen katholischen Missionsrates oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen seien. Das treffe jedoch auf die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten nicht zu.
Nachdem der Einspruch des Klägers gegen die Familienkasse Nürnberg und das Widerspruchsverfahren erfolglos blieben, wandte er sich an das Sozialgericht Nürnberg. Er beantragte, ihm weiterhin Kindergeld zu gewähren, da er einen Verstoss gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AAGG), gegen Artikel 3 des Grundgesetzes (Gleichheit vor dem Gesetz) und gegen die Richtlinie 2007/43/EG des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sah.
Das Sozialgericht Nürnberg gab dem Kläger Recht. Missionare seien in das Bundeskindergeldgesetz erst rückwirkend zum 1. Januar 1996 als privilegierte Sondergruppe eingeführt worden. Zwar wäre die spezielle Regelung nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKGG nicht auf die Siebenten-Tags-Adventisten anwendbar, da sie nicht den im Gesetz genannten Missionswerken angehörten. Gleichwohl erscheine es geboten, “im Wege der richterlichen Lückenfüllung den Kläger als Kindergeldberechtigten zu behandeln”.
Die Entstehungsgeschichte des neuen BKGG zeige, dass der Gesetzgeber die Missionare erfassen wollte, die über die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts entsandt werden. Im Gesetz habe er nur die infrage kommenden Missionswerke benannt, die ihm bekannt gewesen seien. Insoweit wäre das geltende Recht lückenhaft, da es die öffentlich- rechtliche Körperschaft der Siebenten-Tags-Adventisten entgegen dem gesetzgeberischen Willen nicht erfasst. Für einen Ausschluss der Freikirche gebe es keine sachlichen Gründe. “Wenn der Gesetzgeber im Hinblick auf Missionare einen Regelungsbedarf sieht und dann dem rückwirkend zum 01.01.1996 Rechnung trägt, so muss er dies für alle gleichermassen tun”, heisst es in der inzwischen rechtskräftigen Urteilsbegründung (Aktenzeichen: S 9 KG 1/08).
Das Sozialgericht berief sich dabei auf ein Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (BayLSG) vom 5. Dezember 2002 (Aktenzeichen: L 14 KG 26/99). Dessen Richter kamen zu dem Ergebnis: “Die Gründe des Gesetzgebers zeigen auf, dass alle den öffentlich-rechtlich verfassten Gemeinschaften zugeordneten Missionswerke erfasst werden sollen. Anders könnte der Gesetzgeber auch nicht wegen des Grundsatzes der Neutralität des Staates gegenüber den Kirchen und Religionsgemeinschaften und des Gleichheitsgrundsatzes handeln.” Laut Sozialgericht Nürnberg habe das BayLSG in seinem Urteil sogar einen Kindergeldanspruch eines Missionars bejaht, der Mitglied einer nicht öffentlich-rechtlichen Körperschaft war. “Erst recht muss der vom Kläger geltend gemachte Anspruch dann bejaht werden”.
Im Gegensatz zu adventistischen Missionaren war das Kindergeld für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Adventistischen Entwicklungs- und Katastrophenhilfe ADRA, die von Deutschland ins Ausland entsandt werden, nicht strittig. Bei Entwicklungshelfern schreibt das BKGG in §1 Abs. 1 Nr. 2 lediglich vor, dass “Unterhaltsleistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes gezahlt werden. Diese Voraussetzung erfüllt ADRA.