Der Samstag hat einer Studie des Würzburger Theologen Guido Fuchs zufolge den Sonntag als Höhepunkt der Woche abgelöst. "Der Sonntag ist der Tag, an dem man sich ausruht, auf der Heimfahrt im Stau steht oder - als Alleinstehender - depressiv wird", erklärte der Liturgiewissenschaftler am 16. Juni in Würzburg. Der "Tag des Herrn" gehe förmlich im Wochenende unter.
Am Samstag dagegen spiele sich die Freizeit ab, die Menschen kauften ein, machten Ausflüge oder feierten. Das geht aus einer von Fuchs initiierten Umfrage unter mehr als 300 katholischen Pfarrgemeinden in Deutschland hervor.
Im Jahre 1976 sei das Aus für die "sonntägliche Sonderrolle in Deutschland" für Alle zum ersten Mal sichtbar geworden. In diesem Jahr wurde die DIN-Norm 1355 in Kraft gesetzt. Darin sind die Jahreslänge(n), die Schaltregeln, die Monats- und Wochentagsnamen, die Schreibweisen 'vor Christus' und 'nach Christus' und die Jahreszählung sowie die Wochenzählung festgelegt. Sie sind in weitgehender Übereinstimmung mit dem Gregorianischen Kalender und gehen nur in solchen Dingen darüber hinaus, in denen der Gregorianische Kalender keine Aussagen macht.
Seitdem steht der Sonntag in allen offiziellen Kalendern am Ende der Woche und nicht - wie Jahrhunderte lang zuvor - am Anfang. Der Protest der Kirchen gegen diese Degradierung hatte keinen Erfolg gehabt. "Als eines der wenigen Zugeständnisse konnten sie nur erreichen, dass zumindest in kirchlichen Fest- und Namenstagskalendern weiterhin der Sonntag als Wochenbeginn festgehalten wird", sagt Guido Fuchs.
Im Bewusstsein der meisten Menschen endet die Woche mittlerweile am Sonntag. Die Vorstellung, das habe auch im christlichen Sinne seine Richtigkeit, weil ja schon die Bibel, sagt dass sich "Gott am siebten Tage ausruhte", auf einer Fehlinterpretation beruht. "Damit ist der siebte Tag in der Tradition des jüdischen Kalenders gemeint; also der Sabbat, beziehungsweise Samstag", erklärt Fuchs. Und somit beginnt für beide Religionen die Woche selbstverständlich am Sonntag.
Die Kirchen müssten diesem veränderten Freizeitverhalten mit ihren Angeboten Rechnung tragen, forderte der Wissenschaftler. Bisherige Traditionen wie die Sonntagsmesse um 9 Uhr früh passten nicht in den Rhythmus des typischen Wochenendmenschen. Die Kirchen stünden vor der Herausforderung, sich für diese Zeiteinteilung zu öffnen, "wenn sie verhindern wollen, dass ein Gottesdienstbesuch demnächst als kulturelle Verhaltensanomalie betrachtet wird", meinte der Theologe.
Aus Sicht der römisch-katholischen Kirche ist das Wochenende klar gegliedert: Der Freitag dient der Erinnerung der Passion Christi; der Samstag ist dem Mariengedächtnis gewidmet; Sonntag ist Tag der Auferstehung. Dementsprechend boten früher die Pfarrer in ihren Gemeinden Gottesdienste und Andachten an, in denen sie die jeweiligen Themen aufgriffen. Und die evangelische Wochenschlussandacht fand selbstverständlich am Samstag statt.
Anders als die Mehrzahl der christlichen Kirchen, die den Sonntag für den regelmässigen wöchentlichen Gottesdienst nutzen, beachten die Siebenten-Tags-Adventisten den Samstag als gottesdienstlichen Ruhetag, den sie, nach dem hebräischen Wort im Urtext, als Sabbat bezeichnen. Die Freikirche sieht sich damit in der Tradition der jüdisch-christlichen Urgemeinde.
Die Ergebnisse seiner Studie hat Guido Fuchs in dem Buch "Wochenende und Gottesdienst. Zwischen kirchlicher Tradition und heutigem Zeiterleben" zusammengefasst, das im Regensburger "Pustet"-Verlag erschienen ist. Der katholische Theologe Fuchs (56) ist ausserplanmässiger Professor für Liturgiewissenschaft an der Universität Würzburg, Dozent am Institut für Liturgie- und Alltagskultur in Hildesheim sowie Herausgeber und Schriftleiter der Zeitschrift "Liturgie konkret".