Nach Ansicht des der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber (Wolfenbüttel), liegen in der Lehre vom Abendmahl zwischen römisch-katholischer Kirche und evangelisch-lutherischen Kirchen keine aktuellen Gegensätze von kirchentrennender Bedeutung vor.
"Inhaltlich liegen wir im Abendmahls- bzw. Eucharistieverständnis nicht mehr weit auseinander", sagte er am 29. April beim "Frankfurter Konfessionsgespräch," zu dem er zusammen mit dem Vorsitzenden der Ökumene-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Prof. Dr. Gerhard Ludwig Müller (Regensburg), eingeladen hatte.
Aus lutherischer Sicht wäre es an der Zeit, einen Prozess zu einer Gemeinsamen Erklärung zum Abendmahl bzw. zur Eucharistie in Gang zu setzen – analog der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die 1999 in Augsburg bestätigt wurde, erläuterte Landesbischof Weber. Ein erster Entwurf liege bereits durch den evangelischen Theologieprofessor Gunter Wenz vor. Weber wies darauf hin, dass die Lehre vom Abendmahl in enger Sachbeziehung zur Lehre von der Kirche (Ekklesiologie) und zur Amtstheorie stehe, von der sie sich nicht isolieren lasse. Die zwischen den beiden Kirchen bisher nicht behobenen Differenzen in der Lehre von der Kirche und vom kirchlichen Amt wirkten sich entsprechend auch auf Theorie und Praxis des Abendmahls aus. Dennoch wäre eine Gemeinsame Erklärung zum Abendmahl weder in theoretischer noch in praktischer Hinsicht überflüssig und vergeblich. Der Catholica-Beauftragte der VELKD wörtlich: "Für das öffentliche Bewusstsein von Kirche und Gesellschaft wäre es von erheblicher Bedeutung, verbindlich zu erfahren, dass in den dogmatischen Fragen der Abendmahlslehre im engeren Sinn ein differenzierter Konsens besteht." Viele Vorurteile und Missverständnisse, die sich auf beiden Seiten hartnäckig hielten, liessen sich dadurch beheben.
Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche sei überzeugt, dass "selbst noch vorhandene Differenzen zwischen Kirchen nicht ausschliessen müssen, dass die Glieder solcher Kirchen zur Teilnahme an Wort und Sakrament der eigenen Kirche eingeladen werden". Für die Evangelischen gehöre die Selbstunterscheidung zwischen Christus als den Grund des Glaubens und der Kirche als dem Werkzeug seiner Verkündigung zum Merkmal der Kirche. Weber wörtlich: "Dies gilt auch beim Abendmahl: Christus lädt ein, nicht eine einzelne Kirche. Und seine Einladung wiegt mehr als unsere theologischen Differenzen und kirchenrechtlichen Bestimmungen".
Weber stellte seinen Vortrag unter das Thema "Es hat sich viel getan" und die ökumenischen Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche, aber auch zu anderen Kirchen gewürdigt: "Verglichen mit der langen und schmerzvollen Geschichte der kirchlichen Trennungen und Spaltungen ist die Ökumene ein sehr junges Gewächs. Gerade mal seit gut fünfzig Jahren bemühen sich die lutherische und die römisch-katholische Kirche, die Einheit der Kirche Jesu Christi wiederzugewinnen und den Skandal der Trennung zu überwinden. Viel Gutes und Segensreiches ist seitdem bereits erreicht worden und wir haben einen vorzeigbaren Weg miteinander zurückgelegt... Die ökumenische Uhr ist nicht mehr zurückzudrehen, auch wenn sie in den letzten Jahren langsamer voranzuschreiten scheint. Die ökumenische Ungeduld, die wir heute vielerorts erleben, ist gerade ein Kennzeichen und Frucht des Erfolgs der Ökumene. Gerade weil wir einiges erreicht und vieles bearbeitet haben, kommt deutlicher ans Licht, wo noch immer die Differenzen liegen. Gehen wir der Frage nach, wo wir stehen, müssen wir also auch das Trennende offen und in geschwisterlicher Verbundenheit ansprechen."
Das evangelisch-lutherische Modell der Einheit werde in zwei lateinischen Wörtern des Augsburger Bekenntnisses ausgesprochen: "Satis est", es ist genug, es reicht aus. Es genüge zum Kirchesein und zur Einheit der Kirche, über die Verkündigung des Evangeliums und die rechte Feier der Sakramente übereinzustimmen. Die lutherische Kirche vertrete so aus bekenntnistheologischen, nicht aus taktischen Gründen ein ökumenisch weites Verständnis von Kirche. Für das Heil sei es nicht notwendig, dass die menschlichen Traditionen und Strukturen in allen Kirchen gleich sind. So könne das Amt der Verkündigung, das mit dem Evangelium eingesetzt wurde und notwendig ist, in den Kirchen unterschiedlich verwirklicht sein. Diese ekklesiologische Sparsamkeit befreie von der Last, über den Status einer anderen Kirche zu befinden, betonte Landesbischof Weber.