Der deutsche Theologe Konrad Merzyn ist der Frage nachgegangen, welche Funktion das Ritual der Trauung für das Brautpaar hat, was sie motiviert, kirchlich zu heiraten und welche Eindrücke sie damit verbinden. Die Untersuchung ergab: Grund für die kirchliche Heirat sind oft tief empfundene religiöse Gefühle beim Brautpaar.
Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Praktische Theologie an der Universität Göttingen hat Merzyn in ausführlichen Interviews getraute Paare im Grossraum Hannover zu ihren Hochzeiten befragt, quer durch alle Alters-, Einkommens- und Berufsgruppen, auf dem Land und in der Stadt.
Der evangelische Theologe hat selbst jahrelang als Gemeindepfarrer gearbeitet und zahlreiche Paare getraut. Doch für viele seiner Kollegen sei die kirchliche Trauung inzwischen eher zum ungeliebten Ritual geworden, so Merzyn. Denn zuweilen empfänden Pfarrer die Gestaltung der Zeremonie durch die Brautleute als reine "Show", die für sie nur noch wenig mit religiösen Gefühlen zu tun habe. Doch ist das wirklich so? Geht es Paaren, die kirchlich heiraten, lediglich um eine "Traumhochzeit in Weiss"?
Die Untersuchung hat gezeigt, dass der Grund für die kirchliche Heirat oft tief empfundene religiöse Gefühle seien, so der Theologe: "Die Beobachtung, dass die interviewten Paare auffallend häufig mit dem Erleben der kirchlichen Trauung religiöse Bedürfnisse verbinden, widerspricht der unter Pfarrern verbreiteten Ablehnung der kirchlichen Trauung als Show, bei der sie sich selbst zu Statisten verurteilt fühlen". Merzyn nennt ein Beispiel: Immer mehr Brautpaare wählten für den Einzug in die Kirche wieder die Variante der Brautübergabe - die Braut schreite am Arm ihres Vaters zum Altar, wo der Bräutigam sie in Empfang nehme. Viele Pfarrer denken, dass es dem Brautpaar dabei vor allem auf den grossen Auftritt ankomme, berichtet der Theologe. Doch für die Eheleute stehe oft etwas ganz anderes dahinter: Zum Beispiel werde die "Übergabe" der Braut als Loslösung von den eigenen Eltern verstanden. Natürlich spielten auch romantische Vorstellungen à la "Traumhochzeit" eine Rolle bei der kirchlichen Heirat. Aber für die Paare, die Konrad Merzyn befragt hat, stünden vor allem das Eheversprechen vor Gott und dem Partner im Vordergrund. Zwiespältig werde dagegen das Verhältnis zwischen standesamtlicher und kirchlicher Trauung beschrieben. Zwar schilderten die Paare die standesamtliche Trauung überwiegend als enttäuschend oder belanglos; die mit der Eheschliessung verbundenen Rechte würden jedoch sehr hoch geschätzt und seien oft der Auslöser gewesen für die Entscheidung, zu heiraten.
Durch die Integration qualitativer Interviews in die praktisch-theologische Forschung ist es Konrad Merzyn gelungen, die komplexe Lebenssituation der Paare und ihre Wahrnehmung der kirchlichen Trauung differenziert zu erfassen. Durch seine Arbeit wollte der Theologe dazu beitragen, die Rolle der Paare bei der kirchlichen Trauung differenzierter zu betrachten. Für die Situation seiner Berufskollegen habe er dabei Verständnis. "Aufgrund immer knapper werdender Ressourcen stünden die Pfarrer heute sehr unter Zeitdruck", stellt Merzyn fest. Bei maximal 60 Minuten Vorgespräch pro Trauung sei eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den Wünschen und Gefühlen des Brautpaares daher oft nur eingeschränkt möglich.
Die empirische Religionsforschung zählt zu den Schwerpunkten der Arbeiten von Merzyn. Gegenwärtig arbeitet er an einem Forschungsprojekt zur "Feier des Weihnachtsfestes als Ritualisierung familiärer Religiosität". Seine Dissertation "Die Rezeption der kirchlichen Trauung" mit den ausführlichen Untersuchungsergebnissen wird im November 2010 bei der Evangelischen Verlagsanstalt in Leipzig erscheinen.