Am Reformationstag, dem 31. Oktober, eröffnet die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Evangelische Kirche in Hessen-Nassau (EKHN) in Worms das Themenjahr „Reformation und Toleranz“ innerhalb des Reformationsgedenkens.
In freikirchlichen Kreisen habe allerdings Verwunderung ausgelöst, dass weder die deutschlandweite Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) noch die regionale ACK Hessen-Rheinhessen an der Eröffnung des Themenjahres beteiligt worden sei, so der Mennonit Wolfgang Krauss. In beiden Organisationen gehörten Landeskirchen und verschiedene Freikirchen zu den Gründungsmitgliedern. Ebenso bleibe die bundesweite Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) aussen vor. Auch bilateral seien keine Freikirchen zur Mitwirkung eingeladen worden.
Einzige Ausnahme scheine die Mennonitengemeinde Ibersheim aus einem Wormser Vorort zu sein. Sie habe eine Einladung erhalten, die Eröffnung zu besuchen, und werde mit drei Vertretern teilnehmen. Darauf angesprochen, meinte der Pastor der Gemeinde, Andreas Kohrn: „Natürlich ist es Sache der Veranstalter einzuladen, wen sie möchten. Als wir die Einladung angenommen haben, sind wir davon ausgegangen, dass auch andere Kirchen dabei sind. Es scheinen aber nur die Katholiken berücksichtigt worden zu sein. Dass gerade beim Thema Toleranz ausgerechnet die Kirchen, die sehr lange nicht toleriert wurden, keine Einladung erhalten haben, überrascht mich."
„Es scheint, als seien die Freikirchen schlicht vergessen worden“, bedauerte auch Wolfgang Krauss, Täuferhistoriker in Augsburg. Er bemängelte, das sei „nicht auf der Höhe der ökumenischen Beziehungen“ und verwies auf die in den letzten Jahrzehnten geführten Dialoge mit den „geistlichen Nachkommen der ehemals als ‚Wiedertäufer' Verfolgten“. Auch die theologische Rechtfertigung der Verfolgung durch Luther, Melanchthon, Zwingli und andere Reformatoren wäre kritisch beleuchtet und neu bewertet worden. „Höhepunkt waren für mich die lutherische Vergebungsbitte und bewegende Versöhnungsgesten bei der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Stuttgart vor zwei Jahren“, so Krauss. „Der damals vorgelegte Bericht trägt den programmatischen Titel ‚Heilung der Erinnerungen – Versöhnung in Christus‘. Eine gemeinsam geplante Vorbereitung und Durchführung des Toleranzjahres hätte ein weiterer Schritt auf diesem Weg sein können.“
Die Mennoniten sind eine evangelische Freikirche. Sie entstammen der Täuferbewegung des 16. Jahrhunderts. Nach Menno Simons, einem frühen Täufer aus Friesland, werden sie „Mennoniten“ genannt.
Im Unterschied zu anderen Reformatoren wollten die Täufer eine vom Staat unabhängige Kirche, die sich in allen Fragen des Glaubens und Lebens am Modell der neutestamentlichen Gemeinde und an der Nachfolge Jesu orientiert. Sie verweigerten die Säuglingstaufe und wollten Menschen erst taufen, wenn sie sich „für ein Leben in Glauben und Nachfolge“ entschieden hatten. Dafür nahmen sie Verfolgung und Leiden in Kauf. Etwa 3.000 Täufer und Täuferinnen wurden im 16. Jahrhundert hingerichtet. Bis heute taufen Mennoniten nur Menschen, die eine eigene Entscheidung getroffen haben und sich freiwillig zu Christus bekennen. Weil sie es ablehnen, sich am Kriegsdienst zu beteiligen, werden sie auch als „historische Friedenskirche“ bezeichnet.