Im Jahr 2010 wurden rund 27.000 Personen wegen einer Alkoholabhängigkeit (15.000), einer Alkoholvergiftung (8.000) oder beidem (4.000) in einem Schweizer Spital behandelt, teilte Sucht Schweiz mit. Die Stiftung hat im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit alle alkoholbedingten Spitaleinweisungen von 2003 bis 2010 analysiert und festgestellt, dass sowohl Alkoholabhängigkeit als auch Fälle von Vergiftungen mit zunehmendem Lebensalter gehäuft auftreten.
Alkoholvergiftung
90 Prozent der rund 12.000 Personen, die im Jahr 2010 wegen Alkoholvergiftung hospitalisiert wurden, seien älter als 23 Jahre gewesen. Jugendliche und junge Erwachsene machten etwa 10 Prozent der hospitalisierten Personen aus.
„Bei den Jugendlichen fällt auf, dass die Spitaleinweisungen wegen Alkoholvergiftung bei den 14- und 15-Jährigen am häufigsten sind, obwohl das Rauschtrinken bis zum jungen Erwachsenenalter zunimmt. Das zeigt, dass sie im Umgang mit Alkohol unerfahren sind und eher riskieren, über die Massen zu trinken“, sagte Matthias Wicki, Studienautor und Forscher bei Sucht Schweiz.
Die neuste Studie zeige, dass in der Altersgruppe der 10- bis 23-Jährigen die Spitaleinweisungen wegen einer Alkoholvergiftung im Jahr 2010 um 73 Prozent über dem Niveau von 2003 gelegen hätten. Da eine Alkoholvergiftung tödlich sein könne, sei dies eine besorgniserregend hohe Zahl, so die Fachleute. Neben Vergiftungserscheinungen wie Gedächtnislücken, starker Übelkeit bis hin zu Kreislaufstörungen und Koma, bestehe bei übermässigem Konsum ein deutlich erhöhtes Risiko für Unfälle und Verletzungen, Gewalt oder aggressives Verhalten, - Folgen welche auch das Umfeld betreffen würden.
Alkoholabhängigkeit
Im Jahr 2010 seien 19.000 Personen wegen einer Alkoholabhängigkeit im Spital behandelt worden, so Sucht Schweiz. Dabei sei bei 15.000 Personen ausschliesslich eine Alkoholabhängigkeit und bei 4.000 Personen zusätzlich eine Alkoholvergiftung festgestellt worden. Alkoholabhängigkeit sei eine Krankheit, welcher in der Regel ein jahrelanger missbräuchlicher Konsum vorausgehe.
Erfolge eine Spitaleinweisung hauptsächlich wegen eines schweren Rauschs, handele es sich mit zunehmendem Alter nicht ausschliesslich um eine Alkoholvergiftung. Bei rund der Hälfte der wegen schwerem Rausch behandelten 45- bis 74-Jährigen werde zusätzlich eine Alkoholabhängigkeit festgestellt. „In dieser Altersgruppe, in der die Problemlast besonders hoch ist, sind die Spitaleinweisungen seltener auf übermässiges Trinken ‚aus Spass‘ zurückzuführen. Deutlich ausschlaggebender sind eine bestehende Alkoholabhängigkeit oder psychische Probleme“, ergänzt Matthias Wicki.
Spitze des Eisbergs
Die Zahlen spiegelten nicht das gesamte Ausmass des Problems. Die Studie berücksichtige nur die Daten aus der medizinischen Statistik der Krankenhäuser, welche ausschliesslich auf stationär behandelten Fällen beruhe. Personen, welche die Polizei betrunken nach Hause bringe, Behandlungen in Hausarztpraxen oder teilstationäre Behandlungen in Spitälern seien nicht Teil der Untersuchung.
Herausforderung für die Prävention
Die Studie zeige, dass Handlungsbedarf bestehe. Es sei wichtig, dass Menschen, die aufgrund einer Alkoholvergiftung oder einer Abhängigkeit ins Spital eingeliefert würden, nicht nur medizinische Versorgung, sondern Beratungsgespräche zu den Ursachen angeboten erhielten. An dieser Stelle setze das Nationale Programm Alkohol NPA an, das auch die vorliegende Studie finanziert habe. Laut Sucht Schweiz werde im Rahmen des NPA Konzepte erarbeitet, die aufzeigen würden, wie die enge Zusammenarbeit zwischen Spitälern, Suchtberatungsstellen sowie weiteren Akteuren ausgestaltet sein könne. Einzelgespräche, Gruppenangebote oder Risikochecks könnten den Betroffenen helfen, das eigene Trinkverhalten zu überdenken.
„Bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen beunruhigt die hohe Zahl der Spitaleinweisungen wegen Alkoholvergiftung“, hält Michel Graf, Direktor von Sucht Schweiz, fest. Es brauche verstärkte Präventionsanstrengungen, die möglichst früh einsetzen sollten, bevor sich problematische Verhaltensweisen verfestigen würden. Besondere Beachtung gelte auch dem konsequenten Jugendschutz. „Das Abgabeverbot muss noch besser greifen. Dazu gilt es, die Gesellschaft für die besondere Verletzlichkeit Minderjähriger durch alkoholische Getränke weiter zu sensibilisieren“, ergänzt Michel Graf.