Mindestens 150 Millionen Frauen weltweit seien Opfer weiblicher Genitalverstümmelung (female genital mutilation, FGM) geworden, berichtet der Onlinedienst der Zeitschrift „Adventisten heute“. Noch immer würden jährlich mindestens drei Millionen Mädchen in Afrika, Asien, aber auch in Europa, den USA und Australien genital verstümmelt. Seit über zwölf Jahren kämpfe Waris Dirie, weltweit bekannt geworden durch ihre verfilmte Autobiografie „Wüstenblume“, gegen die FGM. Sie ist Gründerin der „Desert Flower Foundation“ (Wüstenblume-Stiftung), die das Ziel habe, „diesem Verbrechen durch Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit, Informationsveranstaltungen und Schulungen sowie durch Direkthilfe ein Ende zu setzen“.
Wie die Leitung des Krankenhauses „Waldfriede“ der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Berlin-Zehlendorf mitteilte, beginne am 11. September das „Desert Flower Center Waldfriede“ seine Arbeit mit einer feierlichen Eröffnung und Fachvorträgen. Zu den geladenen Gästen der Veranstaltung im Krankenhaus „Waldfriede“ in Berlin-Zehlendorf zählten neben der Schirmherrin Waris Dirie unter anderem Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin für Justiz, Thomas Heilmann, Senator für Justiz und Verbraucherschutz, Barbara Loth, Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, und Dr. Pierre Foldes, Entwickler einer weltweit einmaligen Operationsmethode zur Rekonstruktion der weiblichen Genitalien nach FGM.
Waris Dirie (48), ehemaliges Model und UN-Sonderbotschafterin, setzt sich seit 2002 mit ihrer in Wien angesiedelten „Desert Flower Foundation“ für die Rechte afrikanischer Frauen und gegen das Ritual der Beschneidung ein. Mit gerade einmal fünf Jahren wurde die gebürtige Somalierin selbst Opfer von Genitalverstümmelung. Ihren Lebens- und Leidensweg verarbeitete sie in mehreren Romanen. Ihr wohl bekanntestes Buch „Wüstenblume“ erreichte weltweit eine Auflage von elf Millionen Exemplaren; 2009 folgte die nicht weniger erfolgreiche Verfilmung ihrer bewegenden Geschichte.
Alle elf Sekunden werde ein Mädchen durch die sogenannte rituelle Beschneidung der weiblichen Genitalien verstümmelt. Jeden Tag teilten 8.000 Mädchen dieses Schicksal. Die FGM werde nicht nur in Ländern Afrikas praktiziert, sondern auch dort, wo es eigentlich verboten sei. Selbst in Deutschland lebten circa 50.000 Opfer mit Genitalverstümmelung. Um den zutiefst traumatisierten Frauen ein Stück der verlorenen Lebensqualität zurückzugeben, werde sich „Waldfriede“ als erstes europäisches Krankenhaus ganzheitlich der Probleme beschnittener Frauen annehmen. Neben hochspezialisierten Beckenbodenchirurgen stünden im „Desert Flower Center Waldfriede“ auch Psychologen, Seelsorger, Sozialdienst und Selbsthilfegruppen für eine weitergehende, beziehungsweise ergänzende Betreuung bereit, erläuterte der Geschäftsführer der Zehlendorfer Klinik, Bernd Quoss. Dank der langjährigen Spezialisierung des Krankenhauses „Waldfriede“ auf die Darm- und Beckenbodenchirurgie könnten dort infolge der Beschneidung inkontinent gewordene Frauen auch sehr spezielle Operationen erhalten.
Bereits jetzt gebe es viele Anfragen von FGM-Betroffenen in Berlin, und laut Quoss läge bei der Zentrale der Stiftung in Wien eine lange Warteliste vor. In Verbindung mit „Waldfriede“ kam Waris Dirie durch den Besuch eines internationalen Koloproktologiekongresses, der 2012 stattfand und unter anderem vom Krankenhaus organisiert wurde.
Das seit 1920 bestehende Berlin-Zehlendorfer Akutkrankenhaus „Waldfriede" verfügt über 170 Betten sowie je 14 Betten für die Kurzzeitpflege in Zehlendorf und Steglitz. Es versorgt mit den Fachabteilungen Allgemeinchirurgie, Anästhesie, Brustzentrum, Gynäkologie und Geburtshilfe, Hand- und Fusschirurgie, Innere Medizin, Interdisziplinäres Beckenbodenzentrum, Intensivmedizin, Radiologie und den Zentren für Darm- und Beckenbodenchirurgie (Koloproktologie) sowie Diabetes und Diabetisches Fuss-Syndrom jährlich etwa 13.000 Patienten stationär und 48.000 ambulant. Zum Krankenhaus gehört auch die Private Akut- und Rehabilitationsklinik „Nikolasee“ in Berlin-Nikolasee mit 17 Betten und den Fachbereichen Innere Medizin, Psychosomatik, Psychiatrie, Burnout und Sucht.
„Waldfriede“ ist akademisches Lehrkrankenhaus der Charité-Universitätsmedizin Berlin und europäisches Ausbildungszentrum für Operationstechniken der Koloproktologie. Zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit hat das Krankenhaus im März 2008 eine Kooperationsvereinbarung mit der Florida-Hospital-Gruppe in Orlando/Florida (USA) geschlossen. Dadurch sind unter anderem ein regelmässiger gegenseitiger Ärzteaustausch sowie die zusätzliche Fort- und Weiterbildung von medizinischem Personal möglich. In der „Waldfrieder“ Akademie für Gesundheits- und Krankenpflege könne in Kooperation mit dem Fachbereich Christliches Sozialwesen der adventistischen Theologischen Hochschule Friedensau bei Magdeburg der Bachelor (B.A.) in „Gesundheits- und Pflegewissenschaften“ erlangt werden.
Das Krankenhaus ist unter anderem Mitglied im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, im Verband Evangelischer Krankenhäuser und stationärer Einrichtungen Berlin-Brandenburg, im Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflegerische Dienste (EVAP) sowie Teil des weltweiten „Adventist Health System“ der Siebenten-Tags-Adventisten.