Am 6. März hat der Nationalrat mit Stichentscheid seines Präsidenten, Ruedi Lustenberger (CVP), die Lockerung der Kriegsmaterialverordnung beschlossen. Die Schweiz gefährde damit ihren internationalen Ruf als Hort von humanitärer Tradition, Frieden, Demokratie und Menschenrechten, schreibt Alliance Sud, Arbeitsgemeinschaft sechs grosser Hilfswerke der Schweiz.
Laut der Allianz könnten nun Waffenverkäufe in die ärmsten Entwicklungsländer und an Regierungen, die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen, den bröckelnden Absatz von Rüstungsgütern in Europa ersetzen. Die Räte schützten Arbeitsplätze in einem völlig unbedeutenden Industriezweig, der nur 0,33 Prozent der gesamten Schweizer Exporte ausmache. Statt einen nachhaltigen Beitrag zur Lösung weltweiter Krisen zu leisten, wolle man sich ein möglichst fettes Stück vom letzten grossen Wachstumsmarkt für Kriegsmaterial in Saudi-Arabien sichern. Mit 56,7 Mrd.
US-Dollar belegte Saudi-Arabien 2012 Platz 7 auf der Weltrangliste für Rüstungsausgaben. Das Königreich liege auch bezüglich Verletzungen der Menschenrechte in den vorderen Rängen, so Alliance Sud.
Die erheblichen Reputationsrisiken für die Schweiz könnten mit der neu beschlossenen Einzelfallprüfung nicht ausgeräumt werden. Auch unter der bisherigen „strengen“ Kriegsmaterialverordnung habe es kein Bundesamt verhindert, dass nach Saudi-Arabien exportiertes Schweizer Kriegsmaterial in den Krisenherden von Syrien und Libyen aufgetaucht sei, oder dass mit Hilfe von Mowag-Panzern und lizenzierten Schweizer Präzisionsgewehren Demokratiebewegungen in Bahrein und der Ukraine bekämpft worden seien.
Keine Beachtung habe beim Entscheid die bisherige lockere Bewilligungspraxis des Bundes gefunden, so Alliance Sud. 2013 habe das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) 2.261 Gesuche im Wert von 2,1 Milliarden Franken bewilligt und lediglich vier Anträge im Wert von 700.000 Franken, mit Verweis auf die bisher geltende Exportverordnung, abgelehnt. Dass die realen Exporte im vergangenen Jahr von 700 auf 461 Millionen Franken zurückfielen, habe wenig mit der „zu strengen“ Verordnung zu tun, sondern damit, dass erteilte Bewilligungen oft erst im Folgejahr realisiert würden oder die Finanzierung der Waffengeschäfte nicht zustande gekommen sei.