Ein 24-jähriger Flüchtling aus Eritrea kann nun nach etwa zwei Monaten Kirchenasyl sein Asylverfahren in Deutschland durchführen, dank einer Kooperation der Evangelischen Stadtkirchengemeinde Hanau, der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, der Initiative „Lampedusa in Hanau“ und der diakonischen Flüchtlingshilfe. Der Mann sei in seinem Heimatland willkürlich inhaftiert und verfolgt worden, sodass er über den Sudan, Libyen und das Mittelmeer floh. Er wäre als sogenannter „Lampedusa Flüchtling“ in einem Boot auf der italienischen Insel in Europa angekommen.
Da Italien mit der Aufnahme der vielen Flüchtlinge überfordert sei, habe sich der 24-Jährige nach Deutschland durchgeschlagen. Nach der in Europa gültigen sogenannten „Dublin III Verordnung“ hätte ihm im Sommer eine Rückführung nach Italien gedroht, um dort Asyl zu beantragen. Das wäre aber aufgrund der dort gemachten Erfahrungen und seines Gesundheitszustands nicht zumutbar gewesen. Deshalb hätten der Vorstand der Stadtkirchengemeinde und die örtliche Gemeindeleitung der Siebenten-Tags-Adventisten beschlossen, den Flüchtling vor der Abschiebung zu bewahren und in kirchlichen Räumen unterzubringen.
Die praktische Durchführung des Kirchenasyls sei von mehreren Gruppen gewährleistet worden: Die Siebenten-Tags-Adventisten waren mit den Fragen der Unterbringung befasst. Eine Arbeitsgruppe aus der evangelischen Stadtkirchengemeinde organisierte die offiziellen Kontakte zu Behörden, Sprachunterricht und Finanzen. Die Initiative „Lampedusa in Hanau“ und die diakonische Flüchtlingshilfe sorgten für die tägliche Betreuung. Eine Gruppe von befreundeten eritreischen Flüchtlingen kaufte ein und leistete Gesellschaft.
Dank an Behörden
Da sich der Flüchtling durch das Kirchenasyl nun länger als sechs Monate nach seiner Ausweisungsanordnung in Deutschland aufhält, stehe ihm das Recht zu, sein Asylverfahren hier durchzuführen. Der evangelische Kirchenvorstand und die Gemeindeleitung der Adventisten dankten den zuständigen Behörden, dass sie das Kirchenasyl respektiert haben. „Wir sind sehr glücklich, dass wir dem Mann helfen konnten“, betonten Pfarrer Stefan Weiss und Gemeindeleiterin Judith Christanz. „Wir wünschen ihm einen erfolgreichen Verlauf seines Asylverfahrens und Gottes Segen für seinen weiteren Weg. Wir sind auch dankbar für die gute Zusammenarbeit der unterschiedlichen Unterstützergruppen in Hanau. Wir wollen uns weiter für Flüchtlinge einsetzen und anderen Hanauerinnen und Hanauern Mut machen, dies ebenfalls zu tun.“
Kirchenasyl für Äthiopierin in Nürnberg
In Nürnberg fand ein Flüchtling aus Äthiopien fast zeitgleich mit Hanau etwa zwei Monate Kirchenasyl in der Adventgemeinde der Siebenten-Tags-Adventisten Nürnberg-Mitte. Wie Gemeindepastor Reiner Gross mitteilte, habe die 33-Jährige in ihrer Heimat als Sekretärin für die Oppositionspartei gearbeitet und sei nach der letzten Wahl mit anderen Oppositionellen ins Gefängnis geworfen und dort auch gefoltert worden. Sie wäre über die Niederlande nach Deutschland eingereist und sollte nach Holland abgeschoben werden. Laut Gross würden die niederländischen Behörden jedoch etwa 98 Prozent der aus Äthiopien kommenden Flüchtlinge ohne besondere Prüfung der Beweggründe in ihre Heimat zurückschicken. Deshalb habe sich die adventistische Gemeinde entschlossen, Kirchenasyl zu gewähren. Das sei mit Duldung der Stadt Nürnberg und mit Unterstützung von evangelischen kirchlichen Gruppen geschehen, die bereits Erfahrung mit Kirchenasyl hätten. Nachdem die Frau sich nun ebenfalls sechs Monate nach ihrem Ausweisungsbescheid in Deutschland aufhalte, habe auch sie das Recht, in der Bundesrepublik Asyl zu beantragen.
Polizei beendete 1996 Kirchenasyl in Wunsiedel
Am 20. März 1996 hatte schon einmal eine adventistische Gemeinde Kirchenasyl gewährt. Die kleine oberfränkische Adventgemeinde Wunsiedel mit nur 26 Mitgliedern nahm mehr als fünf Monate lang einen Flüchtling aus dem westafrikanischen Land Togo auf. Unterstützt wurden die Adventisten von der örtlichen evangelischen Kirchengemeinde. Am 3. September 1996 verhaftete die Polizei den damals 28-Jährigen in den Räumen der Adventgemeinde. Er wurde zwei Tage später in seine Heimat abgeschoben. Der Fall erregte bundesweit Aufsehen, da zum ersten Mal in Deutschland ein Kirchenasyl durch die Polizei beendet worden war. Parteien, Kirchen und Flüchtlingsorganisationen übten Kritik an der Asylpolitik des damaligen bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU). Das Innenministerium hatte dagegen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers geäussert. Im Oktober 1997 floh der Mann erneut aus Togo und reiste illegal über Frankreich nach Deutschland ein. Da er aus einem „sicheren Drittland“ in die Bundesrepublik kam, wurde er nach Frankreich abgeschoben, um dort einen Asylantrag zu stellen.