Einen "gerechten Krieg" kann es von einer theologischen Warte aus gesehen nicht geben. Das betonte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker am 3. Juni bei einem Podiumsgespräch zum Thema "Der 'gerechte' Krieg. Fördern militärische Einsätze den Frieden?". Die Diskussion fand auf Einladung der evangelischen Kirche Österreichs im Rahmen der internationalen Konferenz "Information Society at the Crossroads" an der Technischen Universität Wien statt. Der Präsident der Österreichischen Nationalbank, Claus Raidl, hält hingegen klare Kriterien für "gerechten Krieg" für sinnvoller als langes erfolgloses Verhandeln, berichtet die Katholische Presseagentur Kathpress.
Nachdem die Kirchen den gerechten Krieg bis weit ins 20. Jahrhundert propagiert hätten, bestehe in der Ökumene heute der Konsens, dass ein Krieg theologisch nicht zu rechtfertigen ist, so Bünker. Er verwies dabei auf Beispiele aus der Vergangenheit, in der Kirchen kriegerischen Auseinandersetzungen immer wieder einen religiösen Nährboden gegeben hätten. So hätten während des Ersten Weltkriegs Politiker und Geistliche aller beteiligten Mächte propagiert, dass Gott auf ihrer Seite stehe – „das kann ja schon von Seiten der Logik nicht funktionieren", so Bünker.
Heute müsse man Rahmenbedingungen schaffen, um Gewalt weitgehend zu minimieren und schlussendlich zu überwinden. Kirchen könnten dabei einen wichtigen Beitrag leisten, wie sich beispielsweise bei der friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR gezeigt habe. Angesichts heutiger Konflikte seien humanitäre Interventionen zwar oftmals das letzte Mittel, trotzdem gehe auch ihnen letztendlich immer politisches Versagen voraus.
„Gerecht" und „Krieg" sind Widerspruch
Auch für Pete Hämmerle vom Internationalen Versöhnungsbund ist das Konzept eines gerechten Kriegs „ein Widerspruch in sich selbst". Krieg bedeute letztendlich immer Leid und Tod, während Gerechtigkeit allen Menschen ein gutes Leben unter dem Schutz der grundlegenden Menschenrechte ermögliche. Kriegerische Operationen in der Vergangenheit seien meist auch nicht erfolgreich verlaufen, verwies Hämmerle auf den Irak und Afghanistan. Sein Credo: „Friedenspolitik und Kooperation müssen kriegerischen Missionen immer vorgezogen werden."
Gerechter Krieg, unter gewissen Voraussetzungen, berechtigt
Der Präsident der Österreichischen Nationalbank, Claus Raidl, dagegen bezeichnete das Konzept des gerechten Kriegs unter gewissen Voraussetzungen als durchaus berechtigt. Sein Beispiel für Krieg als letzten Ausweg war das Eingreifen der USA gegen die Nazi-Diktatur. Angesichts der aktuellen politischen Lage dürfe man nicht die Augen verschliessen, so Raidl. Klar festgelegte Kriterien für einen „gerechten Krieg" seien sinnvoller als andauerndes erfolgloses Verhandeln.
Kriegerisches Eingreifen beendet kaum Kriege
Der Friedensforscher Thomas Roithner widersprach dem mit dem Hinweis, dass seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht einmal fünf Prozent aller militärischen Interventionen einen Krieg beendet hätten. Kriegerisches Eingreifen von aussen bringe also nur in den seltensten Fällen den erhofften Effekt, wie sich beispielsweise in Libyen gezeigt habe.
Asymmetrische Kriegsführung
„Die Kriegsführung hat sich geändert, es gibt nicht mehr zwei Armeen, die sich gegenüberstehen, nachdem der Krieg erklärt wurde", erklärte die Völkerrechtlerin Christina Binder. Heute seien vermehrt asymmetrische Kriegsführung, Guerillakrieg und Terrorismus im Fokus der internationalen Politik. Auch die Zuhilfenahme von Robotik, beispielsweise durch unbemannte Drohnen, sei im Völkerrecht noch nicht eindeutig berücksichtigt. Weitere Infos: www.evang-akademie.at