Mit einer Neuauflage des Projekts „Weisst du, wer ich bin?“ wollen die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), vier muslimische Verbände und der Zentralrat der Juden in Deutschland gemeinsam Flüchtlingen helfen und die Integration voranbringen. Bei der Auftaktveranstaltung am 31. Mai in der Katholischen Akademie Berlin machten die Institutionen deutlich, wie wichtig der interreligiöse Dialog gerade für die Integration von Flüchtlingen sei.
Nicht nur Dialog, sondern gemeinsames Tun
Es gebe in Deutschland nur ganz wenige interreligiöse Projekte bei denen schon auf Projektträger-Ebene massgebliche christliche, jüdische und muslimische Organisationen zusammenarbeiten würden, betonte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Dr. Günter Krings. Bei „Weisst du, wer ich bin?“ gehe es nicht nur um den Dialog zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften, sondern auch um das gemeinsame Tun. Dadurch leiste das Projekt „einen gewichtigen Beitrag zur Integration von Flüchtlingen und damit auch zur Stärkung unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts insgesamt“. Zudem wies Krings darauf hin, dass gerade Menschen, die wegen ihrer Religion aus ihrer Heimat geflohen seien, hier Frieden finden sollten. Das Bundesministerium des Innern unterstütze das Projekt mit insgesamt 500.000 Euro.
Ein gesamtgesellschaftlicher Kraftakt
„Die Aufgaben, vor denen wir stehen, erfordern nicht weniger als einen gesamtgesellschaftlichen Kraftakt“, gab Erzbischof Stefan Hesse (Hamburg), Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz, zu bedenken. Doch das beeindruckende Mass an Solidarität, Hilfsbereitschaft und Mitgefühl, mit dem sich zahlreiche Menschen in Deutschland für die Anliegen von Flüchtlingen und Asylbewerbern einsetzten, gebe Anlass zur Zuversicht. „Das weitverbreitete ehrenamtliche Engagement ist Ausdruck einer starken und lebendigen Zivilgesellschaft.“ Christen sollten sich ins Gedächtnis rufen, dass der Glaube an einen barmherzigen Gott sie mit Juden und Muslimen verbinde, so der Erzbischof. Die Tora, das Evangelium und der Koran sprächen auf vielfältige und eindrückliche Weise von der Barmherzigkeit Gottes, aus der sich zugleich ethische Fürsorgepflichten des Menschen ergeben würden. Dass Christen, Juden und Muslime auf die Fluchtbewegungen unserer Tage mit grosser Hilfsbereitschaft reagierten, verdankten sie nicht zuletzt dieser gemeinsamen religiösen Grundlage. „Die Frage nach dem Beitrag, den die Religionen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zu gelingender Integration leisten können, wird uns auch auf längere Sicht beschäftigen“, sagte Hesse.
In einer multireligiösen Gesellschaft friedlich zusammenleben
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, betonte, interreligiöse Projekte seien wichtiger denn je, denn so drängend wie lange nicht stelle sich die Frage, „wie wir in dieser pluralistischen und multireligiösen Gesellschaft friedlich zusammenleben können“.
„Deutschlandweit werden von allen Gemeinschaften tolle Projekte in der Flüchtlingshilfe durchgeführt“, ist Burhan Kesici, Sprecher des Koordinationsrats der Muslime und Vorsitzender des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland, überzeugt. Die bisherige Vernetzung und Koordination zwischen den Projekten wäre sicher noch ausbaufähig. Islamische Gemeinden und Einrichtungen könnten hier als Brückenbauer einen wichtigen Beitrag zur Integration der Neuankömmlinge leisten.
Zeit und Geduld für interreligiöse Begegnungen
In dem anschliessenden Podiumsgespräch ging es um die Frage „Was braucht’s damit aus Fremden Freunde werden?“. Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, wies darauf hin, dass Flüchtlinge aus allen Religionen nach Deutschland kämen. Vieles sei für sie neu und sie hätten auch Fragen zum Christentum. Hierbei gelte es, ohne sie vereinnahmen zu wollen, ihnen verständlich zu machen, was Christsein bedeute. Erol Pürlü vom Verband islamischer Kulturzentren meinte, Begegnungen und Gespräche führten zum Kennenlernen und Vertrauen, sodass dann auch ein gemeinsames Handeln möglich wäre.
Professor Dr. Doron Kiesel, Vertreter des Zentralrates der Juden, sagte, dass viele Flüchtlinge die nach Deutschland kämen, bereits in ihrer Heimat von Vorurteilen gegenüber dem Judentum geprägt wären. Das verändere sich nicht automatisch mit dem Grenzübertritt. Es bedürfe deshalb gemeinsamer Begegnungsmöglichkeiten um diese Ressentiments abzubauen. Auch die Bischöfin der Evangelisch-methodistischen Kirche und stellvertretende Vorsitzende der ACK Deutschland, Rosemarie Wenner, war der Meinung, dass interreligiöse Begegnungen Zeit und Geduld benötigten. Sie erinnerte an die 1950er und 60er Jahre in der Bundesrepublik, in denen es keineswegs selbstverständlich gewesen sei, dass Christen unterschiedlicher Konfessionen zueinander den Kontakt gesucht hätten.
Finanzielle Förderung von Einzelinitiativen
Die ACK in Deutschland, der Zentralrat der Juden in Deutschland, der Zentralrat der Muslime in Deutschland, die Türkisch-Islamische Union (DITIB), der Verband der Islamischen Kulturzentren und der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland ermutigen mit ihrem gemeinsamen Projekt „Weisst du, wer ich bin?“ muslimische, christliche und jüdische Gemeinden und Einrichtungen im Bereich der Flüchtlingshilfe und des Dialogs mit Flüchtlingen zusammenzuarbeiten. Einzelinitiativen können mit bis zu 15.000 Euro gefördert werden. Weitere Informationen zum Projekt unter www.weisstduwerichbin.de . Dort sind auch die Antragsrichtlinien und die Bewerbungsformulare für Einzelprojekte eingestellt.
Das erste Projekt von „Weisst du, wer ich bin?“ fand von 2008 bis 2011 statt. Damals beteiligten sich daran der Zentralrat der Juden, die ACK, der Zentralrat der Muslime und die DITIB. Gefördert wurden über hundert Projekte mit einem Volumen von insgesamt 145.000 Euro.