Mit grosser Trauer gibt das Deutsche Mennonitische Friedenskomitee (DMFK) den Tod seines ehemaligen Friedensfreiwilligen, Michael J. Sharp (34), bekannt. Der US-Amerikaner wurde am 12. März im Kongo entführt und kurz danach ermordet. Sharp war eine von sechs Personen, die bei einer Friedensmission der UNO (United Nations Organization Stabilization Mission in the Democratic Republic of the Congo – MONUSCO) in der Demokratischen Republik Kongo unterwegs waren. Mit ihm starben seine schwedische Kollegin Zaida Catalan (36) und der einheimische Übersetzer Betu Tshintela. Von den drei anderen Motorradfahrern, mit denen sie unterwegs waren, lägen noch keine Nachrichten vor.
Die Waffen abgeben und nach Hause gehen
Sharp habe laut dem Deutschen Mennonitischen Friedenskomitee seit 2012 zunächst im Bürgerkriegsgebiet im Ostkongo gearbeitet. Seine Aufgabe sei es gewesen, mit einem Motorrad loszufahren und das Gespräch mit Rebellengruppen in der Region um die Stadt Kivu zu suchen. Er hätte die Soldaten und Kindersoldaten darauf hingewiesen, dass es behördliche Anreize gebe, ihre Waffen abzugeben und nach Hause zu gehen. Seit 2007 sei es durch das Programm gelungen, etwa 1.600 Kämpfer zu überzeugen, sich wieder in die Zivilgesellschaft zu integrieren.
„Orte des intensiven Konflikts sind auch Orte, an denen kreative Lösungen geboren und auf die Probe gestellt werden“, habe Sharp Jahr 2013 betont. „Wenn das Beispiel Jesu der Nächstenliebe für jeden und überall gilt, wie kann das im Ostkongo aussehen, wo Krieg seit 20 Jahren die Norm ist? Ich darf an vorderster Front der kongolesischen Kreativität mitmachen und mithelfen, Antworten auf Gewalt und Entbehrung zu finden."
Seit 2015 hätte Sharp bei den Vereinten Nationen und zuletzt als Leiter eines Expertenteams des UN-Sicherheitsrates gearbeitet, das Verstösse gegen UN-Sanktionen gegenüber bewaffneten Gruppen untersuchen sollte. Ihr gegenwärtiger Auftrag wäre es gewesen, über Massaker und Massengräber in der Region Kasai zu ermitteln. Dort seien in den letzten Monaten vermehrt Menschenrechtsverletzungen dokumentiert worden.
Als Freiwilliger in Bammental tätig
Die Aufgabe, Soldaten zu helfen, ihre Waffen niederzulegen, habe viele Jahre lang sein Leben geprägt, so das Mennonitische Friedenskomitee. Sharp war von 2005 bis 2008 als Freiwilliger im DMFK-Büro in Bammental bei Heidelberg tätig. In dem von ihm mitgestalteten Military Counseling Network (MCN) habe er Kontakte mit US-Soldaten geknüpft, die nicht im Irak und in Afghanistan Krieg führen wollten. Etlichen hätte er helfen können, als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden oder auf andere Weise die Armee zu verlassen.
Er wusste, was er tat
Michael Sharp habe die Fähigkeit besessen, Menschen aus den unterschiedlichsten kulturellen und sozialen Gruppierungen für sich zu gewinnen. Daher sei die Zahl derer, die ihm nachtrauerten, sehr gross. Das Mennonitische Friedenskomitee beklage gemeinsam mit vielen Menschen in Deutschland diesen bitteren Verlust.
Michaels Vater, John Sharp, hätte zum Tod seines Sohnes geäussert: „Ich habe mehr als einmal gesagt, dass wir Friedensstifter bereit sein müssen, unser Leben zu riskieren, eben wie Soldaten das auch tun. Für uns ist das keine reine Theorie.“
Auch Wolfgang Krauss, früherer Mitarbeiter im DMFK-Büro in Heidelberg und jetziger Pastor der Mennonitengemeinde Augsburg, betonte: „Michael wusste von der Gefahr seiner Arbeit. Er hat dieses Risiko auf sich genommen.“
Gewalt keine Handlungsoption
Der mennonitische Theologe Professor Dr. Fernando Enns, Leiter der Arbeitsstelle „Theologie der Friedenskirchen“ der Universität Hamburg, beschreibt in seinem Artikel „Der gerechte Frieden in den Friedenskirchen“ im „Handbuch Friedensethik“ (Springer VS Verlag) die Haltung der Friedenskirchen, zu denen auch die Mennoniten zählen: Diese Christen lehnten Gewaltanwendung als Handlungsoption kategorisch ab. Tödliche Gewalt könne niemals als Mittel zum Zweck gerechtfertigt werden, auch nicht zum Schutz anderen Lebens, da auf diese Weise Leben gegen Leben gestellt werde und man sich anmasse zu richten, welches Leben zu schützen und welches mit Gewalt zu bezwingen, notfalls auch zu zerstören sei. Es gelte alle Energie und Kreativität zur Entwicklung von zivilen Handlungsoptionen einzusetzen, damit eine militärische Gewaltanwendung nicht mehr in Betracht käme. „Oft genug wurde dieser gewaltfreie Weg unter Inkaufnahme des Risikos gewählt, das eigene Leben dabei zu verlieren“, gab Enns zu bedenken.