Die Menschenrechte böten sich als Grundlage für eine gemeinsame Werteorientierung an, um den globalen Herausforderungen zu begegnen. Das bekräftigte Bartholomeos I., Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel, in einer Rede bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin während eines fünftägigen Aufenthalts in Deutschland.
Bartholomeos räumte ein, dass die christlichen Kirchen der Forderung nach allgemeingültigen Menschenrechten zunächst anlehnend gegenüber gestanden hätten. Erst aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts hätten die Kirchen die Menschenrechte zu ihrem Anliegen gemacht.
Skepsis gegenüber Menschenrechten
Gegenwärtig seien die Menschenrechte erneut mit religiöser Skepsis konfrontiert, jedoch diesmal vorrangig in der Begegnung mit nichtchristlichen Religionen. Den Menschenrechten werde vorgehalten, dass sie ein Kulturgut des Westens seien und keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen könnten. Die Skepsis werde damit begründet, dass die Menschenrechte als trojanisches Pferd eine sublime Form christlicher Mission darstellen, gewachsene Gemeinschaftskulturen sprengen und mehr Probleme provozieren als lösen würden. Bartholomeos bedauerte, dass auch einzelne orthodoxe Theologen die ablehnende Haltung gegenüber der Allgemeingültigkeit der Menschenrechte teilten.
Der Mensch lebt nicht für sich selbst
Die Grundprinzipien der Aufklärung, Freiheit und Vernunft, die in den allgemeinen Menschenrechten zum Ausdruck kämen, würden jedoch von der Orthodoxie geteilt, so Bartholomeos. Nach theologischem Verständnis sei der Mensch eine Person, weil er als Ebenbild Gottes geschaffen sei. Der Mensch könne deshalb nie für sich allein betrachtet werden, sondern sei immer ein Mitmensch. Ein Mensch sei nur dann eine Person, wenn er in Gemeinschaft mit anderen verbunden sei. Deshalb könne niemand nur auf sein eigenes Recht bestehen, sondern müsse zugleich auch immer das Recht des Anderen mit einfordern und ihm zugestehen. Das finde seinen höchsten Ausdruck in der selbstlosen Liebe.
Nach den Worten des Patriarchen sei die christliche Nächstenliebe eine zusätzliche Motivation, sich für die Menschenrechte einzusetzen. Wenn Europa in der Ethik der Aufklärung gegründet sei, könne es kein zulässiges Mittel sein, an den EU-Außengrenzen andere Menschen mit Tränengas und Wasserwerfern abzuwehren, gab Bartholomeos zu bedenken. Die Religionen sehe Bartholomeos in der Pflicht, die Menschenrechte als ihre eigenen Werte anzuerkennen und ihr Handeln an ihnen auszurichten. Das schütze den Zusammenhalt einer Gesellschaft ebenso wie es der radikalen Überhöhung einer einzelnen Gesellschaft entgegenwirke.
Patriarchat von Konstantinopel
Als Patriarch von Konstantinopel gilt Bartholomeos I. als der 270. Nachfolger des Apostels Andreas. Gegenüber anderen Patriarchen autokephaler orthodoxer Kirchen ist er der „Erste unter Gleichen“. Angesichts erschwerter Rahmenbedingungen seines Patriarchats auf dem Gebiet der Türkei sicherte ihm der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, die „uneingeschränkte Solidarität“ der Stiftung zu.