„So etwas wie Untergrundgemeinden gibt es in Nordkorea nicht“ und könne es auch nicht geben, sagte der 2005 aus Nordkorea geflüchtete ehemalige Hauptmann Joo Il Kim an einem Pressegespräch der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt. Joo Il Kim sei nach seiner Flucht Christ und Menschenrechtsaktivist geworden, teilte IGFM mit. Da in der Hauptstadt Pjöngjang bis zum Zweiten Weltkrieg 13 Prozent der Bevölkerung Christen gewesen sind, wurde es als das „Jerusalem des Ostens“ bezeichnet. Kim ist laut IGFM überzeugt, dass das früher im Norden blühende Christentum nicht völlig erloschen sei.
Laut dem Überläufer gäbe es viele Nordkoreaner, die nach ihrer Flucht in China mit dem christlichen Glauben in Kontakt kämen. Einige wenige davon würden schliesslich Christen werden. Einzelne dieser Christen kehrten heimlich nach Nordkorea zu ihren Familien zurück. Es sei aber durch die Verhältnisse in Nordkorea sogar innerhalb des engsten Familienkreises extrem schwer, über Religion zu sprechen.
Keine Vorstellung von Religion und davon, was Gott sein sollte
Selbst Kleinstgruppen von nur zwei Christen, die man nicht als „Gemeinden“ bezeichnen könne, hält Kim für ausserordentlich unwahrscheinlich, so IGFM. Allgegenwärtige Angst und Misstrauen verhinderten einen echten Austausch zwischen Menschen. Vor allem aber hätten Nordkoreaner überhaupt keine Vorstellung von Religion und davon, was Gott sein sollte.
Gegenüber IGFM erklärte Kim: „Nordkoreaner werden vom Kleinstkindalter an pausenlos vom Regime indoktriniert. Die meisten haben keinerlei Zugang zu anderen Informationen als der Propaganda des Regimes. Gespräche über regimefeindliche Themen wie Religion können nur zwischen nahen Angehörigen geführt werden.“ Wenn dort jemand über Jesus spreche, würden sich die Angehörigen echte Sorgen machen, dass er den Verstand verloren habe und würden ärztliche „Hilfe“ suchen – mit fatalen Folgen.
Missionarische Arbeit innerhalb Nordkoreas
Nach Informationen von Kim gibt es innerhalb Nordkoreas missionarische Arbeit. Sie sei aber extrem schwierig und gefährlich. Diejenigen, die den Glauben an Christus verbreiten würden, hüteten sich davor, jene Menschen, mit denen sie gesprochen haben, miteinander in Kontakt zu bringen. Das sei für „alle Beteiligten viel zu gefährlich“.
Die Arbeit werde zusätzlich dadurch erschwert, dass Nordkoreaner, die sich für das Christentum interessierten, „unglaublich viele Fragen“ hätten. Selbst in China, wo die missionarischen Voraussetzungen ungleich viel einfacher seien, sei diese Arbeit unter geflüchteten Nordkoreanern problematisch. Der Zeitaufwand für jeden einzelnen Nordkoreaner ihn mit dem christlichen Glauben bekannt zu machen, sei um ein Vielfaches höher als zum Beispiel bei einem Chinesen.
Nordkoreaner können ohne Erklärungen mit biblischen Texten nichts anfangen
Nach Aussage von Kim würden Koreaner auch Bibeln ins Land schmuggeln. Sie könnten sie aber nicht direkt verteilen, sondern nur an passenden Stellen auslegen. „Diese Leute hoffen, dass allein das Lesen der Bibel einen Menschen verändern kann. Sie haben keine Vorstellung davon, was das Regime aus den Menschen gemacht hat.“ Nordkoreaner könnten ohne Erklärungen mit biblischen Texten überhaupt nichts anfangen. „Das sind reine Wunschträume“, so Kim.
Christen in Nordkorea hätten auch nach langer Zeit noch „Fragen über Fragen“, aber niemanden, mit dem sie darüber sprechen könnten. „Angst und Indoktrination halten die Nordkoreaner gefangen. Auch ich selbst habe erst in Grossbritannien langsam erkannt, dass wir de facto alle Opfer von Gehirnwäsche waren“, sagte Kim.
Deutsche Bundesregierung und EU sollen China für Unterstützung Nordkoreas rügen
Die Menschenrechtsorganisation IGFM forderte am gleichen Pressegespräch die Bundesregierung und die Europäische Union auf, das diplomatische Schweigen gegenüber der Volksrepublik China zu beenden.
„Die chinesische Führung unterstützt direkt und indirekt das Schreckensregime in Nordkorea. Gleichzeitig verweigert sie geflohenen Nordkoreanern jede Hilfe“, erklärte IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin. Die Beteuerungen Pekings und das tatsächliche Verhalten Chinas seien völlig gegensätzlich. „Der Schlüssel zur Lösung liegt in Peking“, so die IGFM weiter.
Nordkoreanische Arbeiter werden auch ausserhalb des Landes ausgebeutet
Gleichzeitig erhob die IGFM schwere Vorwürfe gegen Firmen aus der Europäischen Union. In Nordkorea und sogar innerhalb der EU, in Polen, würden nordkoreanische Arbeiter unter sklavenartigen Bedingungen ausgebeutet und als Devisenbringer für die Regierung eingesetzt. Das Regime behalte ihre Angehörigen in Nordkorea als Geiseln zurück. Bei einer Flucht der Arbeiter drohe den Familien Lagerhaft und Folter. Den Arbeitern selbst werde der Lohn für ihre Arbeit vorenthalten. Die IGFM fordert von der Bundesregierung und der EU Konsequenzen aus der nuklearen Bedrohung und den „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ durch das Regime in Pjöngjang.