Das erste Mal kamen leitende Personen von drei teilkontinentalen Kirchenleitungen (Divisionen) in Afrika der Abteilungen adventistischer Familiendienste zusammen, um herausfordernde Themen aus dem Bereich Ehe und Familie sowie afrikanische Kultur und Traditionen zu diskutieren. Es ging dabei um Themen wie das christliche Eheverständnis, den Brautpreis, Polygamie und Scheidung. Die "Panafrikanische Konferenz der Adventisten zu dynamischen Familienbeziehungen" (Adventist Pan-African Conference on Dynamic Family Relations) vom 1. bis 3. März, fand auf dem Campus der Adventist University of Africa (AUA), in der Nähe der kenianischen Hauptstadt Nairobi statt.
Die Konferenz sei vor allem organisiert worden, um die Beziehung zwischen tief verwurzelten Kulturen und Traditionen in ganz Afrika und der biblischen Weltanschauung im Zusammenhang mit Familien zu diskutieren, sagte Willie Oliver, der gemeinsam mit seiner Frau Elaine die Abteilung für "Ehe und Familie" der adventistischen Weltkirchenleitung führt. "Unsere Kultur bestimmt in der Regel, was wir tun, wie wir uns verhalten, wie wir Entscheidungen treffen, wie wir leben", ergänzte Elaine, gemäss Adventist Review (AR), nordamerikanische Kirchenzeitschrift.
"Für mich ist es bedeutsam, dass fast alle Vortragenden als Bibelwissenschaftler in Afrika geboren und aufgewachsen sind und die Kultur Afrikas kennen", schloss ECD-Präsident Blasious Ruguri, Präsident der teilkontinentalen Kirchenleitung Ost-Zentralafrika und AUA-Kanzler. "Sie sprechen diese Dinge aus einer sehr unvoreingenommenen Perspektive an. Hier können wir keinem Aussenstehenden vorwerfen, dass er kommt und unsere Kultur verachtet. Ich denke, das ist wahrscheinlich die beste Behandlung des Problems, das wir je hatten", so Ruguri.
Die Relevanz der Bibel bezüglich Ehe und Familie
Das Eröffnungsreferat hielt Pastor Ron du Preez, ausserordentlicher Professor an mehreren adventistischen Universitäten, einschliesslich der AUA. Du Preez sprach über die Relevanz der Bibel in Bezug auf zeitgenössische Fragen innerhalb der Familie. "Während die einen die Aussagen der Bibel bezüglich Ehe und Familie als irrelevant, als rückständig gegenüber der Wissenschaft, als kulturell bedingt und verwirrend betrachten", erklärte du Preez, "sehen andere die Bibel als den geoffenbarten Willen des Schöpfergottes".
Christliche Familien in Afrika
Sampson Nwaomah, Dekan des theologischen Seminars der AUA, betonte in seinem Referat, das er mit seiner Frau Angela hielt, dass die soziale Grundeinheit in Afrika die Grossfamilie oder das Kollektiv sei, im Gegensatz zum westlichen Individualismus. Er betonte laut AR, dass die Familie in Afrika die Verantwortung für die Weitergabe von traditionellen Normen, Werten, Überzeugungen, Wissen und praktischen Fertigkeiten trägt. Aus diesem Grund "spielen Familien in Afrika eine wichtige Rolle bei der Kultivierung, Reifung und Erhaltung der persönlichen Identität und des gesellschaftlichen Zusammenhalts", so Nwaomah. Es bestehe Einigkeit darüber, dass die christliche Familie in Afrika eine Familie sei, in der "die Prinzipien des Familienlebens bewusst von biblischen Werten geleitet und geprägt werden", sagte der Dekan. Dennoch würden christliche Familien in Afrika mit einer Reihe von kulturellen Zwängen und Normen konfrontiert.
Migration als Herausforderung
Migration nannte er als eine der Herausforderungen. Häufig ziehe ein Ehepartner auf der Suche nach finanzieller Stabilität und Einkommen in die Stadt, während der andere in einem ländlichen Gebiet bleibe. Dies führe laut Nwaomah tendenziell zu einem "Zusammenbruch der Kommunikation, zu Untreue, häuslicher Gewalt und Scheidung".
Kultur von Ehre und Schande
Die Kultur von Ehre und Schande sei eine weitere Herausforderung, die eng mit dem Konzept von "Ubuntu" - der kollektiven Existenz - verbunden sei. Die Gemeinschaft lege grossen Wert auf bestimmte Normen, einschliesslich der Fruchtbarkeit. So werde laut Sampson Nwaomah in einer Kultur, in der Kinder hochgeschätzt seien, Druck auf Paare ausgeübt, die keine Kinder bekämen, was zu Scheidung, Mehrfachverheiratung geführt habe oder gar Ursache für häuslicher Gewalt gewesen sei.
Monogamie und Polygamie
Der ausserordentliche Professor Du Preez sagte zur Polygamie, dass dies eine kulturelle Tradition und Norm in einigen Teilen Afrikas sei, mit der sich die Kirche seit langem konfrontiert sehe. Aus dem biblischen Schöpfungsbericht gehe hervor, dass Monogamie das ursprüngliche und ideale Design Gottes für die Mann-Frau-Beziehung sei.
Unter Bezugnahme auf mehrere bekannte biblische Personen, die mehrere Ehefrauen hatten, argumentierte du Preez laut AR, dass eine solche Entscheidung, immer zu familiären Herausforderungen geführt habe.
Die Frage- und Antwortzeit zu diesem Thema sei deutlich länger als üblich gewesen, schreibt Adventist Review (AR). Mehrere Teilnehmer hätten auf "die Realität vor Ort... wo die Menschen sind", verwiesen. Diese Realität sei ein Zeichen dafür, wie schwierig es sei, sich mit der tief verwurzelten Kultur in Afrika auseinanderzusetzen. Zu den Herausforderungen gehörten Männer mit mehreren Frauen, die durch die Taufe adventistische Christen werden wollten. Ethische Fragen stellten sich bezüglich der Folgen für jene Ehefrauen, die "entlassen" werden sollten. Sie würden in ihrer Gesellschaft als Verstossene angesehen, würden an den Rand gedrängt und dürften oft nie wieder heiraten.
Willie Oliver, Abteilungsleiter für "Ehe und Familie" der adventistischen Weltkirchenleitung, schlug nach der langen Diskussion vor, eine spezielle Konferenz zum Thema Polygamie einzuberufen.
Traditionelle afrikanische Religionen
Bezüglich Ehe und Familie hätten die "Afrikanischen Traditionellen Religionen" (ATR) einen grossen Einfluss, sagte Jongimpi Papu, Pastoralsekretär der regionalen Kirchenleitung (Vereinigung) am Kap in Südafrika: "In Afrika ist Kultur sehr religiös."
Zu den am häufigsten vertretenen Überzeugungen innerhalb der "Afrikanischen Traditionellen Religionen" gehöre die Zentralität der verstorbenen Vorfahren. Es werde angenommen, dass sie "lebendig" und "dem Menschen näher als Götter" seien. "Vorfahren sind Hüter der Familienangelegenheiten, Traditionen und Ethik", sagte Papu. "Die stärksten Einflüsse des Menschen kommen von den Vorfahren und die Menschen sind immer in der Gegenwart der Vorfahren."
Diese und viele andere religiös-kulturelle Überzeugungen prägten viele Aspekte des Lebens der Afrikaner. "Die afrikanische Kultur ist in mir eingebettet", sagte laut AR ein Kongressteilnehmer, "auch wenn ich keine der afrikanischen traditionellen Religionen praktiziere".
Gemäss Adventist Review sei der Kern von Papus Präsentation ein Appell gewesen, einige Aspekte der afrikanischen Kultur als wertvoll und als Chance zu betrachten. Er habe eine klare Unterscheidung zwischen kulturellen Normen gemacht, die für Christen geeignet seien, und solchen, die es nicht sind: "Die Tatsache, dass etwas natürlich ist, bedeutet nicht, dass es richtig ist". Gleichzeitig habe Papu dafür plädiert, eine kulturadaptierte Sprache zu verwenden, um Menschen effektiv zu erreichen. "Wir können in afrikanischen Kategorien reden, während wir biblische Prinzipien erklären", argumentierte er.
Traditionelle und zivile Eheschliessung in Afrika
Die traditionelle Eheschliessung in Afrika sei Ausdruck der Beteiligung der Grossfamilie und könne in einigen Fällen auch traditionelle Normen wie Polygamie, Ahnenverehrung, eheänliche Partnerschaft und Vernunftehe einschliessen, sagte Michael Sokupa, stellvertretender Direktor der Nachlassverwaltung von Ellen G. White, Mitgründerin der Kirche. Die traditionelle afrikanische Eheschliessung beziehe in vielen Fällen die Kirche nicht mit ein.
Die Zivilehe stelle einen wachsenden Trend in Afrika dar, so Sokupa. Sie erfordere nur einen Staatsbeamten und zwei Zeugen. Diese Praxis widerspreche dem afrikanischen Brauch und führe zu Spannungen zwischen dem Paar und der Grossfamilie. Allerdings neige auch die standesamtliche Eheschliessung dazu, die Kirche auszuschalten, die versucht habe, dem Ehepaar Orientierung zu geben.
Brautpreis - "Lobola"
Die afrikanische Tradition, die einen Mann auffordert, einen Preis für seine Braut zu zahlen, werde im Volksmund "Lobola" genannt, sagte Jongimpi Papu, Pastoralsekretär der regionalen Kirchenleitung (Vereinigung) am Kap in Südafrika.
Beim "Lobola" handle es sich um eine differenzierte Verhandlung zwischen den beiden Familien, bei der oft ein externer Unterhändler involviert sei. Die Familie des Bräutigams stimme einem bestimmten Preis für die Braut zu, die nach der Vereinbarung verschiedene eheliche Rechte an den Bräutigam übertrage, einschliesslich der Fortpflanzung. Laut Papu ist der Brautpreis "eine der wenigen afrikanischen Praktiken, die sowohl von Christen als auch von Nichtchristen akzeptiert wird".
Als negative Auswirkung des "Lobola", könne die Wahrnehmung genannt werden, dass Frauen als zu kaufende Waren angesehen würden, dass Familien mit niedrigem Einkommen den Brautpreis einfach als Einkommensquelle nutzten und dass der "Lobola" Männern eine Lizenz zum Missbrauch ihrer Frauen geben könne.
Als mögliche Vorteile von "Lobola" nannte Jongimpi Papu, dass er eine symbolische Geste sei, um die beiden Familien zusammenzubringen und den gegenseitigen Respekt zu fördern. Er zeige auch, dass der Mann in der Lage sei, seine Frau finanziell sowie emotional zu unterstützen und appelliere an seine Aufrichtigkeit, zudem erinnere er das Paar daran, dass der Ehebund ein ernsthaftes Unterfangen sei.
Ein Kongressteilnehmer plädierte für den Brautpreis: "Wenn "Lobola" in unserem Land nicht angeboten wird, hält sich die Frau für absolut wertlos."
Nach einer Übersicht der Brautpreis-Referenzen in der Bibel sei Papu zum Schluss gekommen, dass die Brautpreis-Praxis in der Bibel weder ausdrücklich verboten noch ausdrücklich gefördert werde. Die Kirche solle "Lobola" als Angelegenheit der Familien behandeln.
Scheidung
Kagelo und Boitumelo Rakwena, Leitungsehepaar der Abteilung "Ehe du Familie" der teilkontinentalen Kirchenleitung (Division) im Südlichen Afrika und Indischen Ozean (SID), referierten über Scheidung auf dem afrikanischen Subkontinent. Die negativen Auswirkungen glichen jenen in Europa und Nordamerika: Betroffene Kinder, hätten Schul- und psychische Probleme; Frauen, lebten tendenziell auch nach einer zweiten Eheschliessung in Armut; Männer und Frauen seien nach einer Scheidung mit Orientierungslosigkeit konfrontiert, hätten mehr Angst und Depressionen und seien mit gestörten sozialen Netzwerken konfrontiert.
Laut dem Ehepaar Rakwena würden verschiedene Faktoren zu einer steigenden Scheidungsrate in Afrika beitragen: Veränderte Geschlechterrollen sowie Frauen, die erwerbstätig würden, hätten zu gescheiterten Ehen und zu einem schwindenden Stigma in Bezug auf die Scheidung beigetragen. Auch die Verstädterung sei ein Faktor, der die Scheidungsraten beeinflusse. Die Grossfamilie sei weit weg und der positive Effekt des gemeinschaftlichen Charakters der afrikanischen Familie gehe verloren.
Das Ehepaar Rakwena betonte auch, dass es einen Zusammenhang zwischen der Scheidungsrate und dem Alter der Braut gebe: "Bildung und eine Zunahme der Jahre vor der Heirat lasse reifere Individuen heranwachsen, die eher verheiratet bleiben, vor allem Frauen", berichteten sie.
Resolutionen
Die "Panafrikanische Konferenz der Adventisten zu dynamischen Familienbeziehungen" verabschiedete bei der Abschlussveranstaltung am 3. März zwölf Resolutionen, welche der Wichtigkeit der Abteilungsarbeit für "Ehe und Familie" bei allen strategischen Plänen und Budgetprioritäten der Kirche Ausdruck verleihen sollen.
Unter anderem solle die Rolle der Familie in Ortsgemeinden gefördert werden mittels Projekten der 26 Hochschulen in den drei afrikanischen teilkontinentalen Kirchenleitungen (ECD, WAD, SID) sowie durch die Verbreitung der Ergebnisse dieser "Panafrikanischen Konferenz" über Websites, Online-Produkte, Social Media und Print.
Der adventistischen Kirchenleitung wurde empfohlen, die offizielle kirchliche Polygamiepolitik zu überdenken, um eine biblischere Position herbeizuführen.
Organisiert wurde die Konferenz von den Abteilungen für "Ehe und Familie" der adventistischen Weltkirchenleitung sowie jenen der teilkontinentalen Kirchenleitungen aus Ost-Zentralafrika (East Central Africa, ECD), West-Zentralafrika (West Central Africa, WAD) und Südliches Afrika und Indischer Ozean (Southern Africa-Indian Ocean, SID).