Judith Fockner hielt die Predigt an der 117. Jahreskonferenz der Adventisten in Winterthur © Foto: Gunther Klenk

«Deine Verletzlichkeit ist der Schlüssel zum Glück»

Zürich/Schweiz | 25.03.2019 | APD | Schweiz

Unter dem Titel «Heimat – Finden. Leben. Erwarten» trafen sich am 23. März rund 1.1000 Mitglieder und Gäste der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in der Deutschschweiz zur 117. Jahreskonferenz in der Parkarena Winterthur.

Der Gottesdienst an der Jahreskonferenz am Samstagmorgen stellt den geistlichen Höhepunkt im Kirchenleben der Adventisten in der Deutschschweiz dar. Nach einem Anbetungsteil mit Liedern, die von Jugendlichen instrumental begleitet wurden, gab Benjamin Hoffmann, Kirchenmitglied aus Burgdorf/BE, kernige Inputs zum Thema «Die Gemeinde meine Familie». Nach kurzen Videoclips zum Thema konnten sich die Anwesenden in den Sitzreihen jeweils mittels vorbereiteter Fragekarten zu den Unterthemen austauschen. Der Moderator schloss den Gesprächsteil mit einem Zitat von Martin Luther: «Gott bewahre mich vor einer Kirche von lauter Heiligen».

«HopeMedia Switzerland» gegründet
Pastor Stephan Sigg, Präsident der Adventisten in der Schweiz, informierte die Konferenzgemeinde vor der Predigt über die Gründung von «HopeMedia Switzerland». Die Kirche in der Schweiz plane ein Audio- und Videostudio am Sitz der Kirche in der Romandie sowie eines in der Deutschschweiz. Es seien Videos und Podcasts übers Internet geplant, um die gute Nachricht von Jesus Christus auf zeitgemässe Art weiterzugeben. Dabei arbeite man eng mit dem Europäischen Medienzentrum der Freikirche bei Darmstadt/Deutschland zusammen.

Hauptfaktor für glückliche Beziehungen ist die Fähigkeit, sich verletzlich zu machen
Die freie Theologin Judith Fockner (45), Alsbach-Hähnlein/Deutschland, sprach in der Predigt zur Aussage: «Hier bin ich zu Hause!» In der Gemeinde und in Beziehungen zeigten alle nur ihre guten Seiten, quasi das beste «Portraitfoto» von sich. Am Beispiel von Ashley, einer jungen Frau mit dem Ollier- und Maffucci-Syndrom, einer seltenen Knochenkrankheit, erläuterte Judith Fockner, wie wenig Ashley sich selbst war und damit unecht bzw. unglücklich, weil sie ihre Krankheit versteckte. Ashley habe über eine Webseite Personen kennengelernt, die auch von dieser seltenen Knochenkrankheit betroffen gewesen seien, diese aber nicht versteckt hätten. Das habe ihr die Augen geöffnet, dass sie zur eigenen Verletzlichkeit stehen könne, was ihr eine unbekannte Freiheit, Hoffnung und einen neuen Zugang zu anderen Menschen geschenkt habe. Die Wissenschaftlerin Brené Brown, so Fockner, forsche seit über 17 Jahren zum Thema Verletzlichkeit und habe festgestellt: «Deine Verletzlichkeit ist der Schlüssel zum Glück».

Jesus habe den Menschen den Eindruck vermittelt, dass sie sein dürften, wer sie seien und dass sie nicht spielen bzw. ein ideales «Portraitfoto» von sich zu präsentieren hätten. Bei Jesus dürfe man zu seiner Verletzlichkeit stehen, sagte die Theologin, und so könne ein Gemeindegefühl entstehen, dass man nicht mehr spielen müsse, sondern sein dürfe, wer man ist. «Im Umfeld der Liebe findet jeder seine Heimat», sagte Stephan Sigg zum Abschluss des Predigtteils.

«Dies ist meine Welt»
Pastor Christian Badorrek (38), Seeheim/Deutschland, Generalsekretär der adventistischen Kirchenleitung in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland, schilderte in der ersten Nachmittagsstunde unter dem Titel «Dies ist meine Welt» an drei Beispielen aus seinem Pastorendienst in eindrücklicher Weise, wie schwierig es ist, «kaputten» Menschen Hoffnung zu vermitteln und sie auf dem Prozess des Heilwerdens zu begleiten. Eine Kernaussage aus seinen Ausführungen: «Menschen brauchen nicht, dass man ihnen frommes Zeugs erzählt, sondern dass man sie liebt».

Interessant sei für ihn auch die Begleitung eines jungen und beruflich äusserst erfolgreichen Mannes gewesen, dem es an nichts gefehlt habe. Nach einigen Wochen, als er mit ihm die Bibel gelesen und sich mit dem biblischen Gottesbild auseinandergesetzt habe, habe dieser ihm gesagt, dass sich in ihm nun eine Leere fülle, von der er vorher nichts gespürt habe. Badorrek schloss seine Ausführungen mit den Worten: «Das Loch in unserem Herzen kann nur Gott füllen».

Einsegnungsfeier
In der Ansprache zur Einsegnungsfeier der Pastoren Stephan Dilliy (44) und Gerald Ströck (46) sagte Stephan Sigg, dass das Heimgehen für Kriegsgefangene oder Flüchtlinge eine existenzielle Erfahrung sein könne. Heimat habe mit Beziehung zu tun, so Sigg und zitierte Christian Morgenstern: «Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird». Die Bibel bezeichne den «Himmel» als Heimat. Das sei keine entrückte Realität, sondern «die Gemeinschaft aus der wir kommen und wohin wir gehören». Dies sei auch die eigentliche Sehnsucht, die unser Leben bestimme. Der biblische Begriff «Eden» bedeute im Hebräischen: «Vergnügen», «Wonne», «Freude». So seien Pastoren Menschen, die auf diese Sehnsucht der Menschen reagieren könnten, indem sie die «Lebenskultur der Heimat» wecken und fördern könnten, sagte Pastor Sigg.

Zum Einsegnungs- bzw. Ordinationsverständnis der Adventisten hielt er fest, dass dies kein magischer Moment sei, sondern ein tief geistliches Geschehen. Die Gemeinde anerkenne die Gaben zum Pastorendienst, die Gott den beiden Pastoren geschenkt habe. Sie weihe und sende sie mit einem Segensgebet sowie Händeauflegen zum Dienst.

Bei der Vorstellung der Pastoren sagte René Pieper, Generalsekretär der Adventisten in der Deutschschweiz, dass es sich bei beiden um «Späterberufene» handle. Stephan Dilly hat Wirtschaftsinformatik studiert und war selbständig. Gerald Ströck hat Elektro- und Informationstechnik studiert und hat als Ingenieur gearbeitet.

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