Plakat des Referendumskomitees «Nein zu diesem Zensurgesetz!» © Foto: www.zensurgesetz-nein.ch

Gutachten zur Verschärfung der Rassismus-Strafnorm zeigt Risiken für Meinungsfreiheit auf

Zürich/Schweiz | 24.03.2019 | APD | Schweiz

Die Schweizerische Evangelische Allianz SEA-RES schreibt in «SEA aktuell», Nr. 6/2019, sie distanziere sich von jedem Verhalten, das die Würde homosexuell empfindender Menschen nicht respektiere. Sie verurteile zudem jegliche Form von Diskriminierung, Gewalt oder Hassaufrufen. Gleichzeitig äusserst sie jedoch Bedenken, dass die vom Bundesparlament am 14. Dezember 2018 beschlossene Verschärfung der Rassismus-Strafnorm die Meinungsäusserungsfreiheit unnötig einschränken könnte. «Dies wäre ein Rückschritt für die Toleranz- und Diskussionskultur der Schweiz», schreibt SEA-RES. Obwohl sich die Schweizerische Evangelische Allianz bislang nicht in Referendumskomitees engagiert habe, empfehle sie in diesem Fall die Unterzeichnung des Referendums – was noch bis Ende März möglich ist. Die SEA-RES wünscht, dass das Volk über diese Änderung entscheiden können soll.

Kritische Verkündigung bezüglich Homosexualität
Diese Empfehlung zur Unterzeichnung des Referendums gründe insbesondere auf einem Gutachten zur neuen, erweiterten Strafnorm, das die SEA-RES von Juristen habe erstellen lassen.

Sind Einschätzungen der Homosexualität aufgrund von Bibeltexten betroffen?
«Werden Pfarrpersonen in Zukunft in der Verkündigung und Predigt kritische Einschätzungen zu Homosexualität oder Bisexualität aufgrund ihrer Interpretation der Bibel machen dürfen?», fragte die SEA-RES. Laut Meinung der Gutachter würden solche Reden nur dann unter den Geltungsbereich der erweiterten Strafnorm fallen, wenn «sie eine genügende Intensität erreichen; das wird der Fall sein, wenn die Rede beleidigend, beschimpfend oder verleumdend ist».

Was ist ein Aufruf zu Hass und Diskriminierung?
Damit verbunden sei die Frage, wann eine Rede als «Aufruf zu Hass oder Diskriminierung» eingeschätzt werde. Grundsätzlich sei zu erwarten, dass die Justiz bei der Definition verbotener Reden eine erhöhte Schwelle geltend machen und dass eine einfache negative Meinungsäusserung über Homosexualität nicht zu einer Verurteilung führen würde. Laut SEA-RES weise die Beurteilung der Gutachter gleichwohl auf eine problematische Entwicklung in Europa hin: «… Zum jetzigen Zeitpunkt wird der Hass-Charakter einer Rede nach einem objektiven Sinn begutachtet, das heisst, dass ein durchschnittlicher Zuhörer imstande ist, ihn zu erfassen. Allerdings ist gemäss der englischen Regierung eine Rede eine Hassrede, wenn sie durch das Opfer als solche aufgenommen wird. Auch wenn das Schweizer Recht auf eine objektive Wahrnehmung einer Hassrede gegründet ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Verfahren auf der Grundlage eines subjektiven Kriteriums gegen Personen oder Institutionen eröffnet werden könnten.»

Reden, die zu Hass oder Gewalt aufrufen, seien für die SEA-RES und ihre Mitglieder in keiner Weise akzeptabel oder zu rechtfertigen. Sie teilten einerseits dieses Anliegen der parlamentarischen Initiative. Andererseits stellten sie die Folgen für die Meinungsfreiheit in Frage, weil nun jede öffentliche Äusserung angeprangert werden könne, die im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung von Menschen für «beleidigend» gehalten werde. Selbst wenn es zu keiner Verurteilung komme, könne dies dem Ansehen einer Person unnötig schaden, so die SEA-RES.

Ausschluss von kirchlichen Ämtern
Klar scheint für die Gutachter die Frage betreffend Anstellungen und Ämter in Kirchen. Einen Homosexuellen allein aufgrund seiner sexuellen Orientierung für die Ausübung eines Dienstes unwürdig zu erachten, falle unter den Anwendungsbereich des Gesetzes. Die SEA-RES sei der Ansicht, dass ihre Mitgliedskirchen diese Art von Diskriminierung nicht praktizierten. Von deren Angestellten werde allgemein erwartet, dass sie sich mit ihrem Lebensstil an das Glaubensbekenntnis der Gemeinschaft und die damit verbundene biblische Sexualethik halten würden. Die Tatsache, dass eine Person homosexuell empfinde, sei kein Grund sie auszuschliessen. Die Anstellung basiere nicht auf der sexuellen Orientierung der Person, sondern auf ihren persönlichen Überzeugungen in diesem Bereich.

Dienstleistungen für die Allgemeinheit
Am wenigsten problematisch dürfte der Umgang mit Leistungen für die Allgemeinheit sein, so die SEA-RES. Auf die Frage: «Könnten gleichgeschlechtlichen Paaren Segenshandlungen, allfällige Trauungen und andere Angebote straffrei verweigert werden?», würden die Gutachter darauf hinweisen, dass eine Leistung für einen offenen Personenkreis bestimmt und von kurzer Dauer sein muss, um als Dienstleistung für die Allgemeinheit zu gelten (wie zum Beispiel eine Busreise oder der Kauf eines Brotes). Eine Trauung falle daher nicht unter diese Definition, wenn sie individuell begleitet werde und unter der Zustimmung des Paares zum Eheverständnis der jeweiligen Kirche geschehe, so die Gutachter.

Das sechs Seiten umfassende Gutachten kann heruntergeladen werden:
http://www.each.ch/wp-content/uploads/2019/03/190322_Rassismus-Strafnorm-Gutachten.pdf

Link zur Unterzeichnung des Referendums: https://www.zensurgesetz-nein.ch/

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