Klaus-Rüdiger Mai, Geht der Kirche der Glaube aus? Eine Streitschrift, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2018, 192 Seiten, broschiert, 15,00 EUR, ISBN 978-3-374-05305-6
Geht der Kirche der Glaube aus?
Diese provokative Frage stellt der Schriftsteller Dr. Klaus-Rüdiger Mai in seinem neusten Buch. In acht Kapiteln widmet sich der Historiker verschiedenen Themen rund um die Kirche. Glaube, Kirche und Mission stehen dabei im Hauptfokus. Mai schreibt als lutherischer Christ und engagiertes Kirchenmitglied, das betroffen ist von den sich mehrenden Austritten sowie der Kraftlosigkeit seiner Kirche. Er kommt zum Schluss: Im heutigen Deutschland ist es schlecht bestellt um die evangelische Kirche. Dabei bleibt der Autor nicht abstrakt, sondern wird mitunter sehr konkret in seiner Kritik. Er spart nicht mit Zitaten und Beispielen aus dem aktuellen Kirchenalltag.
Mai schreibt sachlich und doch leidenschaftlich. Er möchte einen Disput über den Zustand der Kirche eröffnen und dazu auffordern, sich als freier Bürger daran zu beteiligen, statt heimlich zu leiden. Es werden politische Geschehnisse, die momentane Weltlage und aktuelle Kirchenpolitik anschaulich verbunden. Unerschrocken spricht er dabei umstrittene Themen an, wie das „Scheitern des Multikulturalismus“ (S. 30), den „Rückzug des Rechtsstaates“ (S. 30), „Kontrollverlust“ (S.30), „Neofeudalisierung“ (S.101) sowie die „Modernisierung Deutschlands“ (s. 139).
Politische Kirche
Mais Postulat: Die Theologie wird weltlich und ersetzt ihre eschatologische Perspektive durch Parteipolitik. Der Kirchentag avanciert in Folge dessen zum rot-grünen Parteitag. So verliert die Kirche aber ihre politischen Möglichkeiten, und die Nähe zur Politik schafft Raum für pagane Ersatzreligionen. Als Historiker sieht Mai, dass die Kirche immer dann, wenn sie der politischen Versuchung erlag, auf Abwege geriet. Er verdeutlicht dies mit Beispielen aus der Geschichte.
Ziel des Autors ist es „der Tendenz zur Selbstvergottung des Menschen und der damit einhergehenden Gefahr der Selbstsäkularisierung der Kirche zu wehren“ (S.10). Mai ist überzeugt: Echter Glaube darf nicht verwechselt werden mit ideologischer Gesinnung, ethischer Haltung, Seelenwellness und Wohlfühlprotestantismus. Glaube darf nicht weichgespült werden durch Anspruchslosigkeit. Glaube kann nicht durch Ideologie ersetzt werden, und Kirche ist keine moderne Moralanstalt. Die Rettung der Kirche liegt auch nicht in der Nähe zum Kanzleramt.
Prophetische Kirche
Stattdessen soll Kirche wieder die Aufgabe des Propheten wahrnehmen und nicht des Propagandisten. Prophetisches Reden erfolge immer exklusiv, niemals inklusiv. Der Prophet wiederspreche den Eliten und macht sich nicht zu dessen Diener, wie der Propagandist. Kirche muss daher parteilos bleiben und darf nicht selbst zum Establishment gehören (wollen).
Mit Vollmacht streitet der Autor für die Zukunft der Kirche. Seine Lösung: „Die evangelischen Kirchen müssen zum Glauben auf der Grundlage des Evangeliums und ihrer Bekenntnisse zurückfinden“ (S.14). Weg von der Macht, Distanz zu den Eliten, hin zum Evangelium und zu Paulus! So könne die Kirche wieder Halt und Orientierung geben. Zum Schluss wird Mai selbst zum Propheten, indem er voraussagt: „Die Stunde der Kirchen wird anbrechen“ (S. 147). Der geneigte Leser wird diese Hoffnung sicherlich teilen.
Claudia Mohr