Russisch-orthodoxer Erzbischof verurteilt jeden Proselytismus

Düsseldorf/Deutschland | 02.05.2000 | APD | International

In einem Interview mit der russischen römisch-katholischen Zeitung \"Svet Evangelija\" [Licht des Evangeliums] sprach sich der Ständige Vertreter der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) in Deutschland, Erzbischof Longin (Talypin) von Klin, sich in entschiedener Weise gegen jeden Proselytismus und leichfertigen Konfessionswechsel aus, auch gegen einen solchen zur Orthodoxen Kirche: \"Ich bin gegen jeden Übergang von der einen Konfession in eine andere\", meinte der Erzbischof, der zugleich Leiter der Ständigen Delegation der Russischen Orthodoxen Kirche bei der Europäischen Union ist.

Dies gelte auch für Übertritte zur Orthodoxie, zumal hier häufig gefragt werden müsse, warum denn eigentlich dieser Wunsch geäussert werde: \"Es ist nicht unsere Sache, solche Leute aufzunehmen, denn wer in seiner eigenen Kirche keinen Platz finden kann, wird ihn bei uns wohl auch kaum finden\".

Die Aufgabe der Vertreter und Geistlichen seiner Kirche in Deutschland sei nicht ein irgendwie gearteter Proselytismus, sondern \"die Seelsorge an Orthodoxen, ihre geistliche Betreuung - und nicht das Hereinholen von Nichtorthodoxen in den Schoss der Orthodoxen Kirche\".

Dies habe er auch selbst während seiner ganzen Tätigkeit in Deutschland immer so gesehen und praktiziert, obwohl \"es von Anfang an nicht wenige Katholiken und Protestanten, sogar Seminaristen und Priester, gab, die zur Orthodoxie überzutreten wünschten, da damals in Europa die Orthodoxie in Mode war\".

Denen habe er aber immer gesagt: \"Kommt ein Jahr lang regelmässig zu den Gottesdiensten, dann werde ich euch eine Reihe von Büchern geben - und wenn ihr die gelesen habt, kommen wir auf unser Gespräch zurück\". Dieser Weg habe schon gezeigt, dass der Wunsch der meisten Konversionskandidaten nicht sehr ernsthaft und tragfähig gewesen sei: \"Sie dachten, bei uns sei es einfach leichter: Die Seminaristen können heiraten, die Laien brauchen keine Kirchensteuer zu zahlen.... Als dann klar wurde, dass wir nicht alle der Reihe nach aufnehmen, sondern prüfen, ob der Wunsch in den Schoss der Orthodoxie zu kommen, auch ernsthaft ist, nahm die Zahl derjenigen, die orthodox werden wollten, radikal ab!\", stellte der Erzbischof fest.

Allerdings erwarte er eine ähnliche Haltung auch von den anderen: Keine Kirche solle versuchen, einer anderen die Gläubigen abzunehmen: \"Im Gegenteil soll jede Kirche ihre eigenen Traditionen beachten und die Traditionen eines anderen Staates, eines anderen Volkes und seiner Kirche anerkennen und mit seinen Nachbarn in Frieden leben.... Die Einheit besteht nicht darin, dass wir uns gegenseitig zu unterwerfen suchen, sondern in der Vielgestalt\".

Stichwort PROSELYTISMUS:
Mit dem Begriff \"Proselytismus\" wird jene Missionierungsarbeit von Christen bezeichnet, die in der Überzeugung \"alleinseligmachende Gemeinschaft zu sein\", Christen anderer Bekenntnisse zum Konfessionswechsel bewegen will.
Das 1970 ökumenisch erarbeitete Dokument \"Gemeinsames Zeugnis und Proselytismus\" assoziiert den Begriff \"Proselytismus\" mit \"allem, was das Recht einer jeden Person, Christ oder Nichtchrist, auf Freiheit von jeglichem äusseren Zwang in religiösen Dingen verletzt\", als auch \"solche Formen der Evangeliumsverkündigung, die nicht dem Willen Gottes entsprechen\".

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