Die Schweiz verschärft den Zugang zum Zivildienst massiv. - Auch im letzten Jahr sind in europäischen Ländern Menschen, die aus Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigerten, zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt worden. Darauf weist das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO) in seinem Jahresbericht 2019 hin.
Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung offen missachtet
„Für zahlreiche Kriegsdienstverweigerer war 2019 ein Jahr, das in erster Linie von Rückschritten und einem fehlenden politischen Interesse an der Verwirklichung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung geprägt war“, bedauert EBCO-Präsident Friedhelm Schneider (Mannheim), der für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK) dem Europäischen Büro für Kriegsdienstverweigerung angehört. In vielen Ländern spiele das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, obwohl es als Menschenrecht anerkannt sei, keine Rolle in der Politik, sondern werde stattdessen offen missachtet.
So verfolge beispielsweise die Türkei weiterhin Kriegsdienstverweigerer und ignoriere die seit 2006 zugunsten türkischer Verweigerer ergangenen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, erläuterte der EBCO-Präsident. Auch Aserbeidschan hätte sein beim Beitritt zum Europarat 2001 versprochenes Gesetz über einen Ersatzdienst zum Wehrdienst bisher nicht verabschiedet. Zuletzt habe im Oktober 2019 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont, dass Aserbeidschan damit weiter gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstosse.
Verschärfung und Rückschritte
Nach wie vor bestehe auch unter anderem in der Ukraine, in Russland und in Griechenland eine Diskriminierung von Menschen, die aus Gewissensgründen den Militärdienst verweigern würden, kritisierte Friedhelm Schneider. In Griechenland habe sich nach dem Regierungswechsel die Situation wieder verschärft. Gleiches gelte für das türkisch besetzte Nordzypern, wo im vergangenen Januar der dortige Ministerrat einen Gesetzentwurf vorgelegt hatte, der das Recht auf eine Kriegsdienstverweigerung enthielt, nach einem Regierungswechsel nun aber wieder zurückgezogen worden sei.
Schweiz verschärft den Zugang zum Zivildienst massiv
Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung bedauere zudem in seinem Jahresbericht, dass sowohl der Ständerat wie auch der Nationalrat der Schweiz Ende vergangenen Jahres Änderungen des Zivildienstgesetzes befürwortet hätten, die den Zugang zum Zivildienst massiv verschärfen sollen.
Damit will der Bundesrat den Zivildienst gegenüber dem Militärdienst weniger attraktiv machen und verhindern, dass - wie in den vergangenen Jahren - Soldaten und vor allem Offiziere im gleichen Mass von der Armee zum Zivildienst wechseln.
Es bleibe daher ein ernstes Problem, dass Staaten, welche die EU-Grundrechtecharta oder die Europäische Menschenrechtskonvention oder beide Dokumente unterzeichnet hätten, dennoch ungestraft das Recht auf Kriegsdienstverweigerung verletzen könnten. Das schade der Glaubwürdigkeit europäischer Menschenrechtspolitik, so der EBGO-Präsident.
EBCO
EBCO wurde 1979 in Brüssel als Dachverband für nationale Verbände von Kriegsdienstverweigerern in Europa gegründet, um das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen als Menschenrecht zu fördern. Jedes Jahr veröffentlicht EBCO einen Jahresbericht zur Situation der Kriegsdienstverweigerung in Europa. Friedhelm Schneider, Pfarrer und früherer Leiter der Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der Evangelischen Kirche der Pfalz, ist seit 2011 EBCO-Präsident.
Der EBCO-Jahresbericht 2019 kann in englischer Sprache bei https://ebco-beoc.org/sites/ebco-beoc.org/files/attachments/2020-02-14-EBCO%20_Annual_Report_2019.pdf heruntergeladen werden.