Papst Franziskus sorgt mit seinem Vorschlag, einkommensschwachen Berufstätigen nach Überwindung der Corona-Krise ein Grundeinkommen zuzugestehen, für viel Aufsehen, schreibt Kathpress, Katholische Presseagentur in Österreich. Kirchenvertreter aus dem spanischsprachigen Raum, wo die vom Papst adressierten sozialen Bewegungen vorrangig tätig sind, lobten die Initiative.
Laut Kathpress hatte sich der Papst zu Ostern in einem dreiseitigen Brief an die sogenannten Volksbewegungen (movimentos populares) gewandt, deren Angehörige er in den vergangenen Jahren mehrmals im Vatikan empfangen und einmal auch in Bolivien getroffen hat. In dem von der italienischen Tageszeitung «L'Avvenire» veröffentlichte Schreiben lobte er die Arbeitnehmervertreter als «Vorbilder» und ermutigt sie zu weiterem Einsatz. Zugleich unterstützte er explizit die Idee eines Grundeinkommens für arbeitende Arme in prekären oder informellen Situationen.
Strassenhändler, Müllsammler, Erntearbeiter, Kleinbauern, Bauarbeiter oder Menschen in pflegender Tätigkeit hätten oft kein fixes Gehalt, um schwierige Zeiten wie die gegenwärtige zu überbrücken, schrieb der Papst. Sie seien für das Gemeinwohl tätig, dabei aber «unsichtbar» und wenig anerkannt, da die marktorientierte Wirtschaft an den Rändern nicht ankomme und der Staat wenig Schutz biete. «Vielleicht ist es an der Zeit, über einen universellen Lohn nachzudenken, der die edlen und unersetzlichen Aufgaben anerkennt und würdigt, die Sie verrichten», hielt Franziskus fest. Ein solches Grundeinkommen löse eine Forderung ein, die «so menschlich und zugleich so christlich ist: kein Arbeiter ohne Rechte».
«Technokratische Muster wie staatliche Lenkung oder das rein marktwirtschaftliche Modell» würden nicht ausreichen, um die Pandemie wie auch die anderen grossen Probleme der Menschheit anzugehen, so der Papst weiter. Die Regierungen sollten dies «endlich einsehen». Der Gefahrenmoment der Corona-Krise solle die Menschheit «aus dem Autopiloten herausholen» und zu einer «humanistischen und ökologischen Umkehr, die den Götzendienst des Geldes beendet und die Würde und das Leben in den Mittelpunkt stellt», führen. Statt Wettbewerb, schnellem Konsum und Profit für wenige, sei ein «Wandel, der entschleunigt, zum Umdenken bringt und zur Regeneration führt» nötig.
Realistische «Spur aus der Krise»
Der Erzbischof von Los Angeles, Jose H. Gomez, unterstützte gegenüber «Vatican News» (13. April) das Papstschreiben und bezeichnete es als wichtige Erinnerung daran, dass das Gewicht aller sozialen Krisen von den Einkommensschwachen am Rand der Gesellschaft getragen werde. In den USA hätten in den vergangenen Tagen Millionen Menschen von einem Tag auf den anderen ihre Arbeit verloren, wüssten plötzlich nicht mehr, wie sie ihre Familien ernähren oder seien krank ohne Zugang zu ärztlicher Versorgung. Ähnlich äusserten sich laut Kathpress auch die katholischen Bischöfe von San Francisco und San Diego in Nordamerika.
Grundeinkommen kann dazu beitragen, Rechte und Würde zu wahren
Der Präsident der Konferenz der Jesuiten Kanadas und USA, Timothy Kesicki, sah Papst Franziskus in seiner Reaktion in einer Linie mit dem Verfasser der ersten Sozialenzyklika der katholischen Kirche, Papst Leo XIII. (1878-1903). Ein Grundeinkommen könne wesentlich dazu beitragen, die Rechte und Würde der arbeitenden Menschen zu wahren. Die heutige Herausforderung laute, «dass allen Arbeitenden in dieser kritischen Phase geholfen wird», so der Ordensmann.
Grundeinkommen vereint «wirtschaftliche und menschliche Aspekte»
Am ausführlichsten nahm laut Kathpress bislang der Madrider Weihbischof Jose Cobo, Mitglied der Kommission für Sozialpastoral der Spanischen Bischofskonferenz, zu dem Papstbrief Stellung. Franziskus habe eine «Fährte, um es aus dieser Krise zu schaffen» gelegt und dabei realistische Vorschläge geliefert, erklärte Cobo in einem «Vatican News»-Interview (14. April). Die Einführung eines Grundeinkommens sei ein richtiger «erster Schritt», der wirtschaftliche und menschliche Aspekte vereine und bei den verletzlichsten Teilen der Gesellschaft ansetze. Für die konkrete Umsetzung müsse die Kirche stärker als bisher «die Gegenwart mit den Augen des Glaubens sehen», mit gesellschaftlichen Gruppen zusammenarbeiten und sich wieder mehr den arbeitenden Menschen zuwenden.
Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge arbeiten weltweit zwei Milliarden Menschen ohne jede Absicherung für Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit oder Pension. Ein Drittel davon sind Frauen.