Das nach über fünfmonatiger Zwangspause ins Mittelmeer zurückgekehrte Rettungsschiff Ocean Viking hat von italienischen Behörden einen Hafen zugewiesen bekommen und darf die 373 aus dem zentralen Mittelmeer geretteten Menschen im sizilianischen Augusta an Land gehen lassen. Die Ausschiffung sei für den heutigen Montag geplant, teilte die das Schiff betreibende europäische Seenotrettungsorganisation SOS MEDITERRANEE mit. Deren Rettungsteam hatte in drei Einsätzen am 21. und 22. Januar vergangener Woche mehrere Hundert Kinder, Frauen und Männer aus vier in der libyschen Such- und Rettungszone in Seenot geratenen Schlauchbooten gerettet.
374 Menschen gerettet
Innerhalb von 48 Stunden, so berichtete die SOS MEDITERRANEE am 22. über ihren Twitter-Account, habe die Ocean Viking 374 Menschen aus vier überbesetzten Booten aufgenommen. Unter den Geretteten auf der OceanViking seien 21 Babys, 35 Kinder, 131 unbegleitete Minderjährige und zwei schwangere Frauen. Am 23. Januar war eine hochschwangere Frau bereits nach Lampedusa notevakuiert worden.
SOS MEDITERRANEE nahm die Zuweisung eines sicheren Hafens mit Erleichterung auf. Die Wetterbedingungen hätten sich seit dem 22. Januar zunehmend verschlechtert und Regen, Wind und hoher Seegang setzten den geretteten Menschen auf der Ocean Viking zu. Luisa Albera, Such- und Rettungskoordinatorin an Bord der Ocean Viking: „Wir haben eine weitere langwierige Wartezeit auf See befürchtet ohne Zuweisung eines sicheren Ortes, so wie wir es in der Vergangenheit leider oft erleben mussten. Das Wetter hätte sich in den letzten 48 Stunden rapide verschlechtert, die zahlreichen Babys und kleinen Kinder an Bord litten besonders unter Seekrankheit.
„Von den Überlebenden an Bord haben wir entsetzliche Berichte über die unmenschlichen Zustände in Libyen gehört”, berichtet Albera weiter. „Wir haben von Schiffbrüchen und durch die libysche Küstenwache abgefangenen Booten erfahren”. Diese bringe die fliehenden Menschen zurück nach Libyen, was Seevölkerrecht widerspreche. Die Ocean Viking sei zurzeit das einzige zivile Rettungsschiff, das im zentralen Mittelmeer im Einsatz ist, fast alle anderen seien durch Behörden festgesetzt.
EU-Lösung zur Aufnahme Geretteter dringend erforderlich
„Wir sind für die 373 Menschen an Bord unseres Schiffes sehr erleichtert. Allerdings betonen wir, dass es dringend eine effektive Koordination der staatlich geführten Such- und Rettungsmassnahmen im zentralen Mittelmeer braucht. Menschenleben hängen hiervon ab. Während aktuell die Zivilgesellschaft versucht diese Lücke zu füllen, müssen die EU-Mitgliedsstaaten eine Lösung für einen schnellen und planbaren Mechanismus zur Aufnahme der Geretteten finden. Die EU muss die europäischen Küstenstaaten unterstützen und sich für die Einhaltung des Seerechts an unseren gemeinsamen Grenzen am Mittelmeer einsetzen", fordert Albera.
Hintergrund
Die Ocean Viking rettete am 21. und 22. Januar 2021 in drei verschiedenen Rettungsaktionen in der libyschen Such- und Rettungszone 374 Menschen aus vier in Seenot geratenen Schlauchbooten. Drei der Boote wurden den Seebehörden und der Ocean Viking über das zivile Netzwerk Alarm Phone gemeldet und mit Unterstützung von zivilen Flugzeugen, Moonbird (Sea-Watch) und Colibri II (Pilotes Volontaires), gesichtet. Eines wurde mit einem Fernglas von der Brücke der Ocean Viking aus entdeckt. Mehrere andere Boote, die in Seenot geraten waren, wurden von der libyschen Küstenwache abgefangen, wie die Einsatzkräfte der zivilen Luftaufklärung berichteten.
Nachdem die Ocean Viking in der Zeit vom 21. bis 24. Januar zweimal bei den libyschen Seebehörden nach einem sicheren Ort für die Anlandung der Geretteten angefragt hatte, bat sie die italienischen und maltesischen Rettungskoordinationszentren (RCCs) um Unterstützung. Schliesslich wurde ihr am späten Nachmittag des 24. Januar von den italienischen Behörden als Ausschiffungsort Augusta auf Sizilien zugewiesen.
SOS MEDITERRANEE
SOS MEDITERRANEE ist eine europäische Nichtregierungsorganisation (NGO) zur Rettung Schiffbrüchiger im Mittelmeer. Sie hat sich 2015 in Berlin gegründet, war von Februar 2016 bis Dezember 2018 mit der Aquarius und seit August 2019 mit dem Rettungsschiff Ocean Viking im zentralen Mittelmeer im Einsatz. Bis dato konnte SOS MEDITERRANEE insgesamt 31.799 Menschen aus Seenot bzw. vor dem Ertrinken retten. Die Organisation setzt sich auf allen Ebenen dafür ein, dass auf dem Mittelmeer Seenotrettung nicht mehr blockiert und Seerecht nicht mehr gebrochen wird. Als Teil eines Konsortiums unterstützt auch die Adventistische Entwicklungs- und Katastrophenhilfe ADRA die Arbeit von SOS MEDITERRANEE ideell und finanziell.
Zur Pressemeldung von SOS MEDITERRANEE:
https://sosmediterranee.de/press/sos-mediterranee-bringt-373-gerettete-nach-sizilien/