Buchrezension: Verqueres Denken. Verquere Weltbilder in alternativen Milieus; Andreas Speit; Chr. Links Verlag, 2021, 240 Seiten, Gebundenes Buch (Paperback): 18,00 Euro; 28,90 CHF; Ebook/Kindle: 9,99 Euro; ISBN-10: 3962891102; ISBN-13: 978-3962891107
Die Querdenkerbewegung ist mit dem Aufkommen der Corona-Pandemie in Deutschland bekannt geworden. In sogenannten Hygiene-Demonstrationen marschierte ein buntes Durcheinander an alternativen Milieus auf, die scheinbar nichts anderes als der gemeinsame Protest vereinte. Der Rechtsextremismusexperte und Publizist Andreas Speit geht in seinem neusten Buch den verschiedensten alternativen Milieus nach und zeigt auf, dass sich in den jeweiligen Weltbildern Gemeinsamkeiten finden lassen. Die Querdenkerbewegung ist dabei als Sammelbecken für die nicht dem Mainstream zugehörigen Milieus zu verstehen, wie beispielsweise die Veganerszene, Tierrechtler, Anthroposophen, Reichsbürger, Esoteriker und Mitglieder der Bewegung der völkischen Landnahme. All diesen Gruppen werden einzelne Kapitel gewidmet.
Zum Inhalt
In der Beschreibung stützt sich Speit auf Forschungsergebnisse und eigene Recherchen. Dabei geht er gründlich – fast kleinteilig – vor und analysiert aktuelle und historische Quellen. In fünf Kapiteln werden die Protestler näher analysiert und ihre Weltbilder geprüft. Trotz Einleitung dient das erste Kapitel der Hinführung und stellt das Anti-Establishment vor, in dem Wirklichkeit und Wahn nahe beieinanderliegen. Allein die emotionale Gemeinschaft zählt. In dem nächsten Kapitel wird bei Impfkritikern und Alternativmedizinern das rationale Denken in Frage gestellt. Das dritte Kapitel zeigt die Ambivalenzen der Anthroposophie auf und kritisiert die mangelnde Selbstreflexion der Waldorf-Szene. Kapitel vier ist kurz und stellt kritisch die weniger bekannte Anastasia-Bewegung vor. Das letzte Kapitel zeigt, wie Veganer und Tierrechtler manchmal zu viel Recht haben wollen und so ins Menschenverachtende rutschen.
Speit führt aus, dass die Krise rechtes Gedankengut verstärkt. Antisemitismus, Antihumanismus und Antifeminismus findet der Autor in vielen der vorgestellten Anti-Modernen-Bewegungen. Dabei lassen sich viele gedankliche Inhalte auf die beiden Lebensreformbewegungen des letzten und vorletzten Jahrhunderts zurückführen.
Die Pandemie ziehe eine dritte Lebensreformbewegung nach sich, die eine neue Mentalität offenbare: die „rohe Bürgerlichkeit“ (Wilhelm Heitmeyer) mit der „Entkultivierung des Bürgertums“. In der Protestbewegung vermengen sich eine latente Sehnsucht nach Spiritualität mit Verschwörungsnarrativen. Speit stellt das Konzept der Conspirituality als eine Mischung aus conspiracy (Verschwörung) und spirituality (Spiritualität) vor und kritisiert deren unsachliche Vermengung, sowie die Rolle der Religion.
Zum Punkt
Speit hat enorme Quellenarbeit geleistet und schreibt detailreich. Die Überschriften sind gut gewählt, die Einleitung klingt vielversprechend. Man kann unschwer den Experten herauslesen und die Stossrichtung des Buches klar erkennen. Leider bleibt der Autor oft bei der Beschreibung und historischen Herleitung der Weltbilder stehen. Es fehlt eine zusammenführende Kritik und eine weltbildliches Gegenkonzept. Der Blick für das grosse Ganze und eine philosophische Zusammenschau hätte in einem letzten Kapitel das Buch bereichert. Stattdessen endet das Buch etwas abrupt mit der Tierrechtsbewegung und dem Hinweis auf eine aufgeklärte Aufklärung. Diese Aufklärung kann als Ziel des Autors mit seiner Publikation verstanden werden. Wenn der Leser dem heutigen Mainstream zugehörig ist, wird ihn dies aber nicht sonderlich stören.
Claudia Mohr
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