Das christliche Hilfswerk Open Doors hat eine aktualisierte Fassung seines jährlichen Weltverfolgungsindex (WVI) veröffentlicht. Er umfasst den Berichtszeitraum 1.10.2021 bis 30.09.2022. Demnach sind Christen in 76 Ländern Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt, die gegenüber dem letzten Berichtszeitraum zugenommen habe. So seien mindestens 5.621 Christen wegen ihres Glaubens ermordet worden. Das seien 80 Prozent mehr als vor fünf Jahren (3.066). Besonders in Nigeria (Rang 6) und in anderen Ländern Subsahara-Afrikas habe die Gewalt gegen Christen erheblich zugenommen. Aus Nigeria wurden 4.726 Entführungen gemeldet, im Vorjahr waren mindestens 2.510 Christen betroffen. Ausserdem verschärften zunehmender Autoritarismus sowie ideologischer Nationalismus die Verfolgung und Diskriminierung, so das Hilfswerk.
Nordkorea ist zurück auf Rang 1 der Staaten mit der intensivsten Christenverfolgung
Nachdem die Taliban ab August 2021 zahlreiche Christen wegen ihres Glaubens ermordet und Tausende in die Flucht getrieben hatten, nahm Afghanistan auf dem WVI 2022 erstmals Rang 1 ein. Die Situation für Christen im Land ist weiterhin extrem gefährlich. Bei der Recherche für den WVI 2023 sei jedoch meist nicht erkennbar gewesen, ob die Taliban Menschen aufgrund ethnischer Zugehörigkeit oder Zusammenarbeit mit westlichen Streitkräften und Nichtregierungsorganisationen (NGO) ermordeten, oder weil sie Christen waren, berichtet Open Doors. Eindeutige Belege für Verfolgung wegen des Glaubens lagen oft nicht vor. Deshalb blieb die Zahl der dokumentierten Gewaltakte gering, entsprechend niedriger fiel auch die Punktzahl im WVI aus. Dort steht Afghanistan aktuell auf Rang 9.
Nordkorea (zurück auf Rang 1) erreicht mit 98 Punkten ein Allzeittief; seit Einführung des neuen „Gesetzes gegen reaktionäres Gedankengut“ wurden mehr Hauskirchen entdeckt und Christen verhaftet. Auf den Rängen 2 bis 10 folgen Somalia, Jemen, Eritrea, Libyen, Nigeria, Pakistan, Iran, Afghanistan und der Sudan. Dort setzt die Militärregierung seit dem Putsch im Oktober 2021 Kirchen wieder stark unter Druck.
Autoritarismus in China und weiteren Ländern will Kirchen kontrollieren
Autokratische Regimes wie China (Rang 16) würden auf völlige Kontrolle allen kirchlichen Lebens setzen, das sie durch strenge Gesetze und ideologischen Nationalismus ersticken wollten, so Open Doors. Ein Gesetz vom März 2022 gestatte nur noch lizenzierten und damit systemkonformen Kirchen und NGOs, religiöse Inhalte im Internet zu verbreiten. Damit seien die seit der Pandemie verstärkt abgehaltenen Onlinegottesdienste oft nicht mehr erlaubt, genauso wenig wie das Onlineangebot christlicher Lehrmaterialien. Zuwiderhandlungen würden mit hohen Haftstrafen geahndet. China war erneut das Land, in dem die meisten Kirchen und kirchlichen Einrichtungen zerstört oder geschlossen wurden. Viele Christen treffen sich in Kleingruppen, um der Überwachung zu entgehen.
In Indien (Rang 11) seien Christen durch Anti-Bekehrungs-Gesetze in mittlerweile elf Bundesstaaten willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt, bis zu zehn Jahre Haft seien möglich. Sogar ein landesweites Gesetz sei geplant. Im aktuellen Berichtszeitraum seien mehr als 1.700 Christen ohne Gerichtsverfahren inhaftiert worden, oft im Umfeld von Angriffen auf Tausende von Christen durch extremistische Hindus. Diese wurden jedoch meist nicht bestraft.
Der zunehmende Autoritarismus von Regierungen in einigen lateinamerikanischen Ländern – zusammen mit einer immer feindseligeren Haltung gegenüber Kirchen und dem christlichen Glauben – befördert Nicaragua (Rang 50) zum ersten Mal auf den Weltverfolgungsindex. Aber auch in Kolumbien (Rang 22), Mexiko (Rang 38) und Kuba (Rang 27) hat sich die Situation für Christen deutlich verschlechtert. Kirchenleiter würden unter Druck gesetzt und verhaftet, die Überwachung verstärkt, Registrierungen und Genehmigungen verweigert, Gebäude beschlagnahmt.
30 Jahre Weltverfolgungsindex
Der Weltverfolgungsindex (WVI) von Open Doors erscheint dieses Jahr zum 30. Mal. Seit 1993 zeigt er die Verfolgung und Diskriminierung von Christen in den 50 Ländern auf, in denen es für sie am gefährlichsten ist, ihren Glauben zu leben und zu bekennen.
„Der 30. Weltverfolgungsindex in Reihe belegt die starke Zunahme von Christenverfolgung weltweit“, wird Markus Rode, Leiter von Open Doors Deutschland, in einer Pressemitteilung zitiert. „Es ist besonders für die betroffenen Christen wichtig, dass gegen sie begangenes Unrecht dokumentiert wird und sie nicht ungehört bleiben. Gleichzeitig erhalten sie Trost durch Gebet und materielle Unterstützung, weil Christen weltweit anhand des Index beten.“
Jährlicher Weltverfolgungsindex zeigt Dynamik von Christenverfolgung
Seit 1955 setzt sich das christliche Hilfswerk Open Doors mit umfangreichen Hilfsprojekten für verfolgte Christen aller Konfessionen ein, heute in über 60 Ländern. Nach eigenen Angaben sei der Weltverfolgungsindex die weltweit einzige Erhebung, für die verfolgte Christen anhand einer differenzierten und von Experten kontinuierlich weiterentwickelten Methodik jährlich direkt befragt würden. Damit solle ihre Situation möglichst genau erklärt und die Dynamik der Verfolgung verdeutlicht werden. Dazu sammelt die Forschungsabteilung von Open Doors Daten aus fünf Lebensbereichen: Privatleben, Familienleben, gesellschaftliches Leben, Leben im Staat und kirchliches Leben. Hinzu kommt die Kategorie „Gewaltsame Übergriffe“. Das Ausmass der Übergriffe wird für alle Bereiche in ein Punktesystem übertragen, um die unterschiedlichen Triebkräfte der Verfolgung in diesen Bereichen vergleichen zu können. Verfolgung definiert Open Doors als „jegliche Art von erlebter Anfeindung aufgrund der Identifikation einer Person mit Christus. Dies kann feindselige Haltungen, Worte und Handlungen gegenüber Christen umfassen.“
Weitere Informationen unter:
https://www.opendoors.ch/index/