Am 18. April fand vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika eine Anhörung statt, deren Entscheidung weitreichende Folgen für den Umgang mit religiösen Anliegen am Arbeitsplatz haben könnte. Darin seien sich Experten und Befürworter der Religionsfreiheit einig, schreibt «Adventist Review», Kirchenzeitschrift der adventistischen Weltkirchenleitung.
Anhörung im Fall Groff gegen DeJoy
Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika hielt am 18. April eine mündliche Anhörung im Fall Groff gegen DeJoy ab. Gerald Groff war ein Postangestellter auf dem Land in Pennsylvania, der darum bat, am Sonntag, seinem religiösen Ruhetag, nicht arbeiten zu müssen. Obwohl man ihm zunächst entgegenkam, wurde ihm später mitgeteilt, dass er sonntags arbeiten müsse. Groff beschloss schliesslich, seinen Job zu kündigen und auf sein Recht, auf einen religiösen Ruhetag einzuklagen.
Der Fall hat Auswirkungen auf alle religiösen Minderheiten
Adventistische Experten bezüglich Religionsfreiheit erklärten, dass dies zwar kein "adventistischer Fall" sei, aber dennoch Auswirkungen auf alle religiösen Minderheiten, einschliesslich der Siebenten-Tags-Adventisten, haben könnte. Mehrere Gruppen, darunter Muslime, Hindus, orthodoxe Juden und Siebenten-Tags-Adventisten, haben einen so genannten «Amicus Curiae Brief»* eingereicht, einen Schriftsatz, der Groffs Klage unterstützt.
Artikel VII des Bürgerrechtsgesetzes von 1964 verbietet religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz und verlangt von den Arbeitgebenden, die religiösen Einstellungen eines Arbeitnehmers "angemessen zu berücksichtigen", es sei denn, diese Berücksichtigung stellt für das Unternehmen eine "unzumutbare Härte" dar.
Seit der Rechtssache Trans World Airlines gegen Hardison im Jahr 1977, in der die Messlatte für Arbeitgeber niedrig angesetzt wurde, hat der Oberste Gerichtshof Artikel VII so ausgelegt, dass die Anpassungen, die Arbeitgeber zu Gunsten der Arbeitnehmenden vornehmen müssen, deren religiöse Ansichten die Arbeit an ihrem Ruhetag einschränken, Grenzen gesetzt hat. Dieser Ansatz hat dazu geführt, dass viele Arbeitnehmende zwischen ihrem religiösen Ruhetag und ihrem Arbeitsplatz wählen mussten.
Todd McFarland, stellvertretender Rechtsberater der Weltkirchenleitung (Generalkonferenz) der Siebenten-Tags-Adventisten, sagte: "Der Fall Groff bietet die beste Chance, den Schaden ungeschehen zu machen, den der Oberste Gerichtshof vor 46 Jahren angerichtet hat, als er das Gesetz entgegen der Absicht des Kongresses auslegte. Sollte der Gerichtshof seinen Fehler aus dem Jahr 1977 korrigieren, wäre dies ein bedeutender Sieg für alle gläubigen Menschen am Arbeitsplatz."
Die Anhörung vom 18. April
Die Anhörung am 18. April umfasste Fragen der Richter an die Anwälte beider Parteien, während die neun Richter abwägen, ob die Rechte von Arbeitnehmenden, die ein Entgegenkommen aus religiösen Gründen suchen, erweitert werden sollen. Während des gesamten Prozesses wurde Groff vom First Liberty Institute, Baker Botts LLP, dem Church State Council und dem Independence Law Center vertreten.
Laut einer Mitteilung des Church State Council erklärte Rechtsanwalt Aaron Streett von Baker Botts, der den Richtern im Namen von Groff Argumente präsentierte, dass "die Gerichte den Artikel VII so restriktiv ausgelegt haben, dass Arbeitgeber religiösen Angestellten nicht einmal die einfachsten Vorkehrungen gewähren müssen, um ihnen die Ausübung ihres Glaubens zu ermöglichen".
Für Aaron Streett "haben die Richter in diesem Fall die Möglichkeit, die Religionsfreiheit am Arbeitsplatz wiederherzustellen. Ein Amerika, das den religiösen Pluralismus schätzt, sollte die religiösen Freiheitsrechte eines jeden Mitarbeiters respektieren."
Alan Reinach vom Church State Council sagte, dass die restriktive Auslegung der Gerichte "diejenigen, die bestimmten religiösen Traditionen anhängen, benachteiligt hat". Er fügte hinzu: "Dafür zu sorgen, dass jeder gerecht behandelt wird, bekräftigt das historische Engagement unserer Nation für religiöse Vielfalt, auch am Arbeitsplatz."
Kein Amerikaner sollte gezwungen sein, zwischen seinem Glauben und dem Job, den er liebt, zu wählen", sagte Kelly Shackelford, Präsidentin, CEO und Chefsyndikus des First Liberty Institute, laut dem Church State Council. "Unsere Nation hat eine lange Geschichte des Schutzes ihrer Angestellten davor, am Arbeitsplatz nur wegen ihres Glaubens anders behandelt zu werden. Wir sind zuversichtlich, dass der Gerichtshof die Religionsfreiheit am Arbeitsplatz wiederherstellen wird".
Groff selbst betonte, er glaube, dass "kein Angestellter zwischen seinem Glauben und seiner Karriere wählen müssen sollte, so wie ich es getan habe." Er sagte, er sei dankbar, dass der Fall vor dem Obersten Gerichtshof der USA verhandelt wird - eine Gelegenheit, die nur wenige andere in seiner Situation jemals hatten. "Ich hoffe, dass dieser Fall zu einer Entscheidung führt, die es anderen ermöglicht, an ihren Überzeugungen festzuhalten, ohne Angst haben zu müssen, wegen ihres Glaubens ihren Arbeitsplatz zu verlieren", sagte er.
Experten seien sich einig, dass das Ergebnis schwer vorherzusagen ist, schreibt «Adventist Review». Eine Entscheidung wird bis Ende Juni 2023 erwartet.
First Liberty Institute
Das First Liberty Institute ist die grösste juristische Organisation des Landes, die sich ausschliesslich der Verteidigung der Religionsfreiheit für alle Amerikaner widmet.
Church State Council
Der Church State Council, eine Einrichtung der Siebenten-Tags-Adventisten, ist die älteste politische Organisation im Westen der USA, die sich für Religionsfreiheit und die Trennung von Kirche und Staat einsetzt.
Independence Law Center
Das Independence Law Center ist eine gemeinnützige Rechtsorganisation und Anwaltskanzlei für Bürgerrechte, die sich auf Fragen des ersten Verfassungszusatzes spezialisiert hat.
*«Ein Amicus Curiae Brief (dt. Freund des Gerichts) ist ein Schriftsatz an ein Gericht, in dem eine am Verfahren nicht selbst beteiligte Person oder Organisation rechtliche Argumente und eine Handlungsempfehlung für einen vor Gericht ausgetragenen Fall darlegen kann.»
(Quelle: ECCHR, European Center for Constitutional and Human Rights)