Cover der Juni-Ausgabe der adventistischen Kirchenzeitschrift „Adventnytt“ in Norwegen. © Bild: DNU

Adventisten in Norwegen publizieren Erklärung zum Umgang mit LGBT+-Personen und deren Familien

Røyse/Norwegen | 01.07.2024 | APD | International

In der Juni-Ausgabe der norwegischen Kirchenzeitschrift „Adventnytt“ der Siebenten-Tags-Adventisten wurde ein Dokument von der Kirchenleitung publiziert, das formuliert, wie mit LGBT+-Personen und deren Familien umgegangen werden sollte.

Der Hintergrund des Dokuments sei das Bedürfnis vieler Pastoren und örtlicher Gemeindeleiter gewesen, wie die Haltung der adventistischen Kirche im Zusammenleben mit LGBT+-Personen und deren Familien gestaltet werden sollte. Die Erklärung wurde vom Vorstand der norwegischen adventistischen Kirchenleitung (Den Norske Union – DNU) nach einem umfassenden Verfahren am 19. März 2023 verabschiedet. Seitdem sei das Dokument und das Thema auf mehreren Pastorentreffen diskutiert und auf Leitungstreffen in den Kirchendistrikten vorgestellt worden, so Adventnytt.

Nach einem sorgfältigen Prozess, bei dem auch queere Adventisten mitarbeiteten, hat die adventistische Kirchenleitung in Schweden im Jahr 2019 eine Erklärung zum Thema LGBT+ verabschiedet. Die Erklärung wurde auch ins Englische übersetzt und fand breite Beachtung innerhalb der weltweiten adventistischen Kirche. Im Allgemeinen sei sie gut aufgenommen worden, schreibt Adventnytt.

Im November 2020 hat die erweiterte Kirchenleitung in Norwegen (DNU) einen Ausschuss beauftragt, zu prüfen, ob die schwedische Erklärung auch in Norwegen verwendet werden könnte. Gleichzeitig wurde dieser Ausschuss auch gebeten, eine Broschüre zu beurteilen, die von der teilkontinentalen Kirchenleitung in Nordamerika (NAD) verwendet wird, um die Kompetenz zu erhöhen, wie die Kirche besser mit LGBT+-Menschen umgehen kann. Die Broschüre trägt den Titel "Guiding Families of LGBT+ Loved Ones“*. Die adventistische Ausgabe, wurde von von Bill Henson geschrieben. Im Winter 2023/2024 haben die Pastoren in Norwegen diese Broschüre als Ausgangspunkt für eine Reihe von Gesprächen genutzt.

Die norwegische Kirchenleitung (DNU) entschied sich schliesslich die schwedische Erklärung nicht für Norwegen zu übernehmen. Stattdessen wurde eine eigene Erklärung erarbeitet, „die prägnanter und pastoraler ist“. Das Dokument sei in keiner Weise ein Kommentar bzw. ein Ersatz für oder eine Bewertung der theologischen Position der Kirche in Fragen des Zusammenlebens oder der offiziellen Erklärungen der Weltkirchenleitung (Generalkonferenz) oder der Gemeindeordnung (Gemeindehandbuch). Dies hätte den Auftrag und die Autorität des DNU-Vorstands überschritten. Daher habe der DNU-Vorstand beschlossen, sich auf eine pastorale Erklärung zu beschränken.

Nachstehend die Erklärung:

Einleitung
Viele Menschen, die sich als LGBT+ identifizieren sowie ihre Familien und Freunde, haben das Gefühl, dass die adventistische Kirche nicht in der Lage ist, ihnen in angemessener und informierter Weise zu begegnen. Viele befürchten, dass die Offenheit über ihre Orientierung zu nachteiligen Konsequenzen führt. Sie haben auch Schwierigkeiten, darauf zu vertrauen, dass die Kirche ihnen mit Einfühlungsvermögen und Verständnis begegnet. Einsamkeit und der Eindruck, nicht akzeptiert zu werden, sind eine zusätzliche Belastung für Menschen, die bereits ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen haben.

Diese Erklärung beantwortet nicht alle Fragen, die im Zusammenhang mit LGBT+-Themen bestehen und sie ist auch keine theologische Klärung. Sie ist eine Anerkennung der Tatsache, dass die pastorale Antwort der adventistischen Kirche oft unzureichend war und ohne Verständnis für Nuancen und Komplexität. Die adventistische Kirche muss anfangen, offener darüber zu sprechen, wie wir Menschen begegnen, die sich als LGBT+ identifizieren. Dies kann zu einem tieferen gemeinsamen Verständnis des Themas führen und eine bessere Grundlage für den Umgang mit den vielen unbeantworteten Fragen bieten, die wir möglicherweise haben. Wir hoffen, dass diese Klärung ein konstruktiver Schritt sein kann, um den lokalen Pastoren und Gemeindeleitern zu helfen.

Wir anerkennen
1. dass wir als Kirche Schwierigkeiten haben, glaubwürdig über Sexualität zu reden und dass wir die Komplexität von LGBT+-Themen oft nicht gut genug verstehen.
2. dass wir uns nicht genügend Zeit genommen haben, um den Geschichten von Menschen zuzuhören, die eine gleichgeschlechtliche Anziehung oder Geschlechtsinkongruenz erleben.
3. dass in Gemeinden der adventistischen Kirche homophobe Äusserungen gemacht und Haltungen zum Ausdruck gebracht wurden, die nicht in eine Gemeinschaft von Gläubigen gehören.
4. dass LGBT+-Personen eine Bereicherung für unsere Kirche sind und von Gott zutiefst geliebt werden.
5. dass die sexuelle Orientierung an sich kein Hindernis für die Mitgliedschaft und den Dienst in unseren Kirchen sein sollte.
6. dass mit Menschen, die eine gleichgeschlechtliche Beziehung eingegangen sind, oft härter umgegangen wird, als mit Menschen, die in einer ausserehelichen Beziehung zum anderen Geschlecht leben.
7. dass unsere Ausgrenzungspraktiken oft als Strafe für vulnerable Menschen gewirkt und zu weiterer Scham und Einsamkeit beigetragen haben und in einigen Fällen dazu geführt haben, dass sie nicht nur aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen wurden, sondern auch ihren Glauben an Gott verloren haben.

Wir wollen
1. ein Klima fördern, in dem die Kirche eine Gemeinschaft von fürsorglichen Christen ist, die unterwegs ist wie eine Familie, die gemeinsam Gottesdienst feiert und in der man einander zuhört und füreinander da ist.
2. unsere Kirchen ermutigen, sich für schutzbedürftige Gruppen in der Gesellschaft einzusetzen.
3. dass die Gemeinden sich bewusst sind, dass der Ausschluss von Mitgliedern eine sehr ernste Reaktionsweise ist, die nur auf Personen angewandt werden sollte, die durch ihre Handlungen und Worte Einzelnen oder der Glaubensgemeinschaft schaden.
4. die Kompetenz unserer Pastoren, Mitarbeitenden und Gemeinden erhöhen, damit sie LGBT+-Personen besser verstehen und das Thema Sexualität mit weniger Vorurteilen, mehr Glaubwürdigkeit, Einfühlungsvermögen, Wärme und tieferen biblischen Einsichten angehen können.


*Die Broschüre "Guiding Families of LGBT+ Loved Ones“ ist auch auf Deutsch erschienen unter dem Titel „LGBTQ+ in unserer Kirche, Orientierungshilfe für Angehörige, Pastor:innen und alle, die das Thema bewegt“, NDV & SDV, Advent-Verlag Lüneburg, 2023
Zu beziehen im Advent-Verlag Schweiz (Shortlink): https://tinyurl.com/r8spz3t9

Einige Stellungnahmen, Erklärungen und Informationen zur Thematik:

„Erklärung der adventistischen Weltkirchenleitung (Generalkonferenz) zu lokal unterstützten Aktivitäten, die nichtbiblische Lebensweisen im Bereich der menschlichen Sexualität fördern oder unterstützen“ (Englisch).
https://adventist.news/news/statement-of-the-general-conference-regarding-locally-sponsored-activities-promoting-or-supporting-non-biblical-human-sexuality

Erklärungen der adventistischen Weltkirchenleitung (Generalkonferenz) zum Sexualverhalten, zu Homosexualität sowie zu Transidentität, alle auf Englisch:
https://gc.adventist.org/official-statements/sexual-behavior/
https://gc.adventist.org/official-statements/homosexuality/
https://gc.adventist.org/official-statements/statement-on-transgenderism/

Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland veröffentlichte 2023 eine Stellungnahme zum Umgang mit LGBTQ+-Personen:
https://apd.media/news/archiv/15551.html

SDA Kinship International ist eine LGBTQIA+ bejahende und integrative Gemeinschaft für aktuelle und ehemalige Siebenten-Tags-Adventisten.
https://sdakinship.org/de/

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