Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen zur Aufarbeitung des Völkermordes in Ruanda (ICTR) hat in Arusha/Tansania den früheren Vorsteher der Siebenten-Tags-Adventisten im Süden Ruandas und ehemaligen Pastor, Elizaphan Ntakirutimana, für schuldig befunden. Der 78-jährige wurde wegen Beihilfe und Begünstigung zum Völkermord zu zehn Jahren Haft verurteilt. Sein Sohn Gérard, der als Arzt am adventistischen Krankenhaus in Mugonero tätig war, erhielt wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschheit eine Freiheitsstrafe von 25 Jahren.
"Die Tragödie in Ruanda, der sinnlose Tod Tausender Menschen kann nicht vergessen werden", betonte Ray Dabrowski (Silver Spring, Maryland/USA), Kommunikationsdirektor der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) der Siebenten-Tags-Adventisten. "Christen sollten Gewalt als Mittel der Konfliktlösung ablehnen. Der Kern der christlichen Botschaft ist Versöhnung, Mitempfinden und Liebe, die alle Grenzen hinsichtlich der Sprache, Rasse oder Nationalität überschreitet."
"Das Urteil des Gerichtshofs stimmt uns traurig", fügte Dabrowski hinzu. "Die Vielschichtigkeit des Falles, die oft widersprüchlichen Beweismittel und der tief sitzende Schmerz der Betroffenen haben es dem Gericht nicht leicht gemacht. Als Kirche leiden und trauern wir mit allen, deren Leben durch die schrecklichen Ereignisse zerstört wurde."
"Voller Trauer sehen wir", so Dabrowski, "dass sich Mitglieder unserer Kirche anscheinend gegen die eigenen Gläubigen und ihre Nachbarn gewandt haben. Wir sind erschüttert, dass die Verurteilten gegen die Grundsätze unserer Kirchen gehandelt haben. Wir bitten um Vergebung.
Nach dem Bekanntwerden der ersten Beschuldigungen gegen Elizaphan Ntakirutimana und seinen Sohn hätten adventistische Kirchenvertreter auf eine zügige Aufklärung durch rechtlich legitimierte unabhängige Gremien gedrängt. Die Freikirche habe mit dem UN-Tribunal und den Anwälten der Angeklagten Kontakt gehabt.
Der ruandische Staatsbürger und zum Hutu-Volk gehörende Elizaphan Ntakirutimana verbrachte seinen Ruhestand seit 1994 in der Nähe von Laredo/Texas. 1996 wurde er vom UN-Gerichtshof angeklagt, im September desselben Jahres verhaftet und Anfang 2000 von den Vereinigten Staaten ausgeliefert, um sich in Tansania vor Gericht zu verantworten. Während des Genozids in Ruanda war er Vorsteher der Südruanda Mission der Adventisten.
Laut Urteilspruch des Internationalen Gerichtshofes der Vereinten Nationen (ICTR) hätten der Angeklagte und sein Sohn Tutsis, die in der Präfektur Kibuye auf dem adventistischen Mongonero-Krankenhausgelände und in der Gegend von Bisesero Schutz suchten den Gendarmen und Interahamwe-Milizen ausgeliefert. Dabei seien Hunderte von Männern, Frauen und Kindern getötet worden. Während das Gericht Elizaphan Ntakirutimana bescheinigte, dass er selbst keinen Menschen ermordet habe, sah das Tribunal es als erwiesen an, dass sein Sohn Gérard den Buchhalter des Krankenhauses umgebracht und auch auf andere Flüchtinge geschossen habe. Die Richter beschrieben die beide Angeklagten vor ihrer Tat als religiöse, tolerante Menschen, bei denen keinerlei Feindlichkeit gegenüber anderen ethnischen Gruppen erkennbar gewesen sei. Während des zwölf Monate dauernden Prozesses in Arusha hatten die inzwischen Verurteilten stets ihre Unschuld beteuert.
Wie vom ICTR zu erfahren war, sei das Urteil der Richter einstimmig ausgefallen. Sofern kein Einspruch erfolgt, werden Vater und Sohn ihre Gefängnisstrafe in einem Land verbüssen, mit dem eine Strafvollzugsvereinbarung besteht. Das Gericht hat bisher zehn Angeklagte verurteilt und einen Freispruch gefällt.
Dem Völkermord in Ruanda sind zwischen April und Oktober 1994 zwischen 800 000 und eine Million Tutsis sowie oppositionelle Hutus zum Opfer gefallen. Auch 225 adventistische Pastoren und etwa 10 000 Gemeindeglieder kamen während des Genozids ums Leben. Im März 1998 führte die Freikirche zahlreiche Versöhnungskonferenzen durch, die den offenen Dialog und das Vertrauen zwischen den rivalisierenden Stämmen fördern sollten. Der adventistische Minister Esdras Mpyisi, Berater des früheren ruandischen Königs, leitete Gespräche, in denen die verfeindeten Gruppen vereinbarten, künftig tolerant und in gutem Einvernehmen zusammenzuarbeiten.
In Ruanda leben rund 350 000 erwachsen getaufte Siebenten-Tags-Adventisten in 1'161 Gemeinden. Die Freikirche unterhält dort drei höhere Schulen, 39 Grundschulen, ein Krankenhaus und neun Kliniken.